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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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je mehr er es versuchte, desto kräftiger drückte Legion ihm die Fingernägel ins Gesicht. Als er den Versuch des Widerstands aufgab, ließ der Druck nach. Er spürte, dass ihm Blut über die Wangen lief, spürte einen Druck auf seiner Haut, wo Legions Hand zugedrückt hatte. Er hätte gern sein Gesicht berührt, sich abgewischt, doch er konnte sich nicht bewegen.
    Schließlich öffnete er die Augen.
    Vor ihm stand Legion, der eine Hand an die Maske gelegt hatte und sie langsam hob, über sein Kinn, seine Nase, seine Augen, bis sie oben auf seinem Kopf lag. Sein wirkliches Gesicht war eckig und straff, seine Haut bleich, seine Augen dunkel, und die Adern zeichneten sich wie eine Landkarte auf seinen Wangenknochen ab, wo die Haut auf bizarre Weise beinahe durchsichtig erschien. Er sah aus wie ein Mann in den Fünzigern, bewegte sich aber mit der Entschlossenheit und Effizienz eines wesentlich Jüngeren.
    »Ich habe nie deswegen mitgemacht, weil ich an das geglaubt hätte, was sie tun«, erklärte Legion und berührte mit den Fingern eine Narbe, die sich an seinem Haaransatz entlang und weit hinunter bis zu seinem Kinn zog. »Die Leute hier glauben, dass es um einen höheren Zweck geht. Eine Berufung. Eine Mission im Namen eines verständnisvollen Gottes.«
    Legion kam wieder näher und legte sich spielerisch einen
Finger auf die Lippen. Dann kehrte sein Lächeln zurück, und darin lag nichts Spielerisches mehr, nur Dunkelheit und Bedrohung. » Schsch , sag es keinem, aber ich habe das hier nur als Chance gesehen. Sie brauchten mich für ihre Drecksarbeit. Und ich brauchte ein Zuhause, nachdem ich die Armee verlassen hatte.«
    Er rollte seinen rechten Ärmel hoch.
    »Das heißt nicht, dass ich kein gläubiger Mensch wäre. Ich glaube nur nicht an denselben Gott wie sie. Die meisten hier glauben an einen Gott, der vergibt; einen Gott, der jeden Fehler, den wir begehen, einfach hinnimmt und einem immer eine zweite Chance zugesteht. Das tue ich nicht. Wahrscheinlich könnte man sagen, dass ich mehr fürs Alte Testament übrighabe.«
    Er drehte seinen Arm so, dass der Mann die Tätowierung sehen konnte. Sie war bläulich schwarz, von der Zeit verwischt, und verlief zwischen zwei Linien, die sich vom Handgelenk bis zur Armbeuge zogen.
    »›Und sie fürchteten sich.‹«
    Er deutete mit dem Finger auf die vier letzten Wörter der Tätowierung.
    »Ich habe den Zorn Gottes gesehen. Ich habe Menschen gesehen, die in Stücke gerissen wurden. Ich habe Fluten und Erdbeben gesehen. Ich habe Zerstörung gesehen. Und weißt du, was? Wir sollten Angst haben. Du solltest Angst haben.« Er schwieg einen Moment und rollte den Ärmel seines Hemdes wieder herunter. »Denn Gott vergibt nicht. Er glaubt nicht an zweite Chancen. Er bestraft. Er reißt in Stücke. Er verzehrt. Und die Frage, die ich mir stelle, wenn ich sehe, wie Andrew und Michael und all die anderen über die Macht der Erlösung predigen, lautet: Wenn ich Gott nichts bedeute, warum, zum Teufel, solltest du mir etwas bedeuten?«

    Legion trat zur Seite.
    Hinter ihm öffnete sich eine Doppeltür zum nächsten Raum. Er lag im Halbdunkel, doch der trübe Schimmer einer Neonröhre an der Decke ließ erkennen, was nun folgen würde.
    »Nein«, sagte der Mann. »Nein, bitte.«
    » Dies «, sagte Legion und winkte mit dem Arm in Richtung des Nebenraums, »ist mein Beitrag zu diesem Ort. Dies ist die Pforte zu deinem neuen Leben.«
    Der Mann hörte nur noch sein Herz, wie es in seinem Brustkasten hämmerte, gegen die Wände seines Oberkörpers schlug. Als er zu schlucken versuchte, bemerkte er, dass seine Kehle sich zusammengezogen hatte. Seine Kleidung war schweißgetränkt. Speichel rann ihm aus dem Mund. Er warf einen Blick auf Legion, dann nach vorn in den Raum, in den man ihn bringen würde. Auf die Vorrichtung, die ganz in der Mitte stand.
    Dann würgte er.
    Seine Kehle beförderte nach oben, was noch im Magen verblieben war. Er beugte sich vor, um es auszuspucken. Es klatschte auf den Boden und breitete sich aus, füllte die Risse im Beton; überzog den Boden wie eine Seuche. Er atmete schwer, bekam nur mit Mühe Luft. Die Panik, die niederschmetternde Ahnung dessen, was kommen würde, fühlte sich an, als müsse sein Körper jeden Moment den Betrieb einstellen, ein Organ nach dem anderen. Seine Venen schienen das Blut hinauszupumpen, ohne dass etwas davon zurückkam.
    Schließlich brachte er die Kraft auf, den Blick wieder zu heben.
    Legion war fort.
    Er schaute nach links

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