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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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versucht?”
    “Sie geht nicht ran.”
    “Ich probiere es mal in der Redaktion.”
    “Da war Grace bereits. Abgeschlossen.”
    “Wo könnte sie denn sonst hin sein?”
    “Zu Kirk.”
    Hunter fühlte einen unbehaglichen Stich. Fast hätte er gesagt: “Da würde sie nie hingehen”, aber er verkniff sich die Bemerkung. “Hat da schon jemand nachgesehen?”
    “Er ist verreist. Keiner zu Hause.”
    “Und der Steinbruch?”
    “Wieso sollte sie denn zum Steinbruch fahren?”
    “Was weiß ich? So durcheinander wie sie ist? Immerhin wurde da doch der Wagen ihres Vaters gefunden, oder?”
    Clay stieß einen schweren Seufzer aus. “Ich werde Kennedy bitten, mal nach dem Rechten zu sehen. Sicherheitshalber.”
    Nun erst recht darauf aus, die eklige Arbeit endlich hinter sich zu bringen, hob Hunter den Müllsack wieder an. Vermutlich, so stellte er sich vor, war Madeline zu
der
schmerzlichen Erkenntnis gelangt, der sie sich jahrelang verweigert hatte. Er konnte sich denken, was das bei ihr anrichtete. “Ich fahre mal durch die Stadt und halte die Augen offen. Vielleicht sehe ich sie ja.”
    “Gute Idee.”
    “Sagen Sie mir Bescheid, sobald sich was tut.”
    “Alles klar, Sie auch.” Clay beendete das Gespräch, wohingegen Hunter nun Harpers Mülltonne öffnete. Jetzt aber schnell weg mit dem armen Viech! Nur war die Tonne bereits randvoll. Schon fing er an, den Müll ein wenig zu stopfen, um Platz zu schaffen, da fiel ihm etwas auf, das ihm glatt den Atem verschlug.
    In der Tonne lagen ganze Stapel maschinengeschriebener Seiten. Sie sahen exakt so aus wie die, die er selber gelesen hatte. Einfacher Zeilenabstand. Verblasster Druck. Alle fünf, sechs Wörter ein oder zwei hochgerutschte Buchstaben. Als wären die Texte auf ein und derselben Schreibmaschine getippt!
    Abermals stellte er den Sack mit der toten Katze auf die Erde, griff in die Tonne, nahm eine Handvoll Blätter heraus und überflog sie.
    Es waren Reverend Barkers Predigten.
    Die Farm wirkte verwaist. Allies Wagen war fort, Clays Kleinlaster ebenfalls nicht zu sehen. Vermutlich waren sie alle auf der Suche nach ihr, oder sie sausten aufgeregt umher, um ihre eigenen Spuren zu verwischen. Darin waren sie einsame Spitze, nicht wahr? Sie machten das ja inzwischen schon zwanzig Jahre.
    Während Madeline in die lange Hofeinfahrt bog, wischte sie sich heftig die Tränen fort, die ihr die Wangen hinunterrollten. Wie dumm sie doch gewesen war! Wie blind! Jeder andere in Stillwater hatte es gesehen, nur sie nicht. Überall hatte sie gesucht, hatte den Finger anklagend auf Jed Fowler und Mike Metzger gerichtet, auf alle möglichen, nur nicht auf die wirklichen Schuldigen. Und alle anderen, Tante und Onkel und Cousins eingeschlossen, schauten frustriert zu und verlangten Gerechtigkeit, die ihnen verwehrt wurde.
    Wie hatten die Montgomerys das bloß geschafft? Hatten Irene und Clay, sobald Madeline das Haus verließ, den Familienrat einberufen und besprochen, wie sie mit ihr umgehen sollten? Hatten sie etwa alles, was sie an möglicherweise Enthüllendem sagte oder tat, penibel aufgezeichnet? Sich Gegenmaßnahmen überlegt?
    Glühend heißer Zorn, gepaart mit aus Verrat geborener Qual, durchzuckte sie wie ein Messerstich. Ihr war, als stecke ihr ein riesiger Kloß in der Kehle, so groß, dass sie nicht schlucken konnte. War auch die Geborgenheit, die ihr die Montgomerys geboten hatten, nur Täuschung gewesen? Blendwerk, damit sie bloß keinen Verdacht schöpfte?
    Großer Gott, was war sie für eine Närrin gewesen! Sie hatte ihnen nicht nur blind vertraut, sondern sie auch noch gegen die ganze Stadt in Schutz genommen.
Die Pfarrgemeinde ihres Vaters!
Er hatte sie hergebracht, sie alle versorgt und ernährt, ihnen auf dieser Farm ein Zuhause geboten.
    Und sie hatten ihn ermordet …
    Es war beinahe zu grotesk, um es glauben zu können. Und doch war sie sich jetzt sicher. Jetzt endlich. Hunter hatte recht gehabt: Clay verstand sich bestens aufs Absichern, aufs Abschirmen. Die ganzen Jahre hatte er seine Mutter vor Strafverfolgung bewahrt, wäre vermutlich eher ins Gefängnis gegangen, als die Wahrheit preiszugeben. Dabei war es gar nicht nötig gewesen, Grace vor Lee Barker zu schützen. Nein, das konnte ihr keiner erzählen. Sie kannte ihren Vater. Derjenige, der ihm die Sachen in den Kofferraum geschmuggelt hatte, das konnte nur Clay gewesen sein. Vielleicht hatte Grace sogar einen ihrer Slips beigesteuert, für den Fall, dass der Wagen einmal gefunden würde.

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