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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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provozierend.
    “Das ist mir so etwas von egal!”, antwortete sie ungerührt. “Sie haben’s im Moment doch sowieso nicht mit Frauen. Schon vergessen?”
    “Keineswegs”, versicherte er. Aber hübsch war sie doch, musste er zugeben. Groß gewachsen, eventuell einen Tick zu dünn, sehr ausgeprägte Gesichtszüge – große, grüne Augen, die Augenwinkel leicht angeschrägt, dichte dunkle Wimpern. Er mochte ihre hohen Wangenknochen, die vollen, sinnlichen Lippen. Auf dem Nasenrücken ein paar Sommersprossen, die Haut ansonsten aber makellos und glatt wie Porzellan. Selbstbewusst und sensibel zugleich – eine merkwürdige Mischung, die allerdings ihre Wirkung nicht verfehlte.
    “Ich wollte jemanden, dem ich vertrauen kann”, erklärte sie.
    Er schüttelte den Kopf. “Sie wollten den lieben Heiland und haben einen Zimmermann bekommen. Wie uns die Bibel lehrt, schließt eines das andere nicht unbedingt aus.”
    Sie wich seinem Blick aus. “Soll das heißen, Sie haben einen Christus-Komplex?”
    Genervt verdrehte er die Augen. “Mir reicht es langsam, ich sage nichts mehr. Hoffentlich kommen Sie sich so richtig albern vor, wenn Ihr Anfall vorbei ist.”
    “Anfall? Ich hatte noch nie im Leben einen Anfall!”
    Hunter mahnte sich zur Ruhe, so lange, bis sie ihr Gefühlswirrwarr einigermaßen in den Griff bekommen hatte. Er konnte sich gut in sie hineinversetzen: überfordert, verzweifelt auf der Suche nach einer Möglichkeit, einer schmerzhaften Erfahrung auszuweichen. Er für seinen Teil hatte sich seine Probleme selbst zuzuschreiben; sie hingegen machte den Eindruck, als sei sie eher schuldlos in diese Lage geraten. Nur war es bei ihm gegenwärtig leider so, dass in solchen Situationen die Pferde zu schnell mit ihm durchgingen.
    “Und wie würden Sie unsere kleine Szene hier beschreiben?”, fragte er. “Doch nicht als die viel gepriesene Gastlichkeit des amerikanischen Südens?”
    “Ich würde es eher Mut der Verzweiflung nennen”, erwiderte sie. “Was glauben Sie wohl, wie viele mich für komplett durchgedreht halten, weil ich Sie engagiert habe? Einverstanden sind nur meine Cousins, was an sich schon Grund genug zur Besorgnis ist. Und warten Sie erst mal ab, bis Sie Clay und Grace begegnen …” Sie fuhr jetzt einhändig, gestikulierte mit der anderen wild herum.
    “Vielleicht haben ja die Leute, die über meine Einmischung am wenigsten begeistert sind, gerade etwas zu verbergen?” Damit lehnte er sich weit aus dem Fenster, klar. Aber er wollte sie provozieren, wollte Gründe finden oder erfinden, um diese Madeline nicht zu mögen. Damit es ihm leichter fiel, eine angemessene Distanz zu wahren. Einen Anlass hatte er schon gefunden: Eigentlich musste sie froh und dankbar sein, dass er sich hatte erweichen und von ihr engagieren lassen. Stattdessen tat sie so, als hätte sie einen Riesenfehler begangen, als sie ihn anheuerte.
    “Auf wessen Seite stehen Sie?”, fragte sie.
    “Auf meiner eigenen”, gab er zurück. “Nur so geht es.”
    Gute zwanzig Minuten sagte sie kein Wort mehr, würdigte ihn nicht einmal eines Blickes. Schließlich wurde ihm das Schweigen zu bunt. “Soll das so weitergehen, oder erzählen Sie mir einfach mal kurz, wie und warum Ihr Vater verschwunden ist?”
    Sie drehte das Autoradio leiser. “Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen”, sagte sie steif. “Ich formuliere schon die letzten fünfzehn Meilen daran herum. Im Augenblick stehe ich ziemlich neben mir. Ich habe auch keine Erklärung für mein unmögliches Verhalten außer … wissen Sie, für mich hängt eine Menge von dieser Sache ab.”
    Aber Entschuldigungen interessierten ihn im Augenblick so gar nicht. Die konnte er nicht gegen sie verwenden. “Hab schon bessere Ausreden gehört”, brummte er. Dabei hatte Madeline durchaus aufrichtig geklungen.
    “Dann sehen Sie es mir also nicht nach?”
    Der flehentliche Unterton in ihrer Stimme rief etwas in ihm hervor, das er schon ewig nicht mehr empfunden hatte: aufrichtiges Mitgefühl. Sie war mit den Nerven am Ende. Man hörte es, wenn sie sprach, und man sah es an ihrer Mimik und Gestik. Dennoch wollte er sich ihren Kummer nicht auch noch aufhalsen; er hatte genug eigene Probleme.
    “Geben Sie mir doch mal ein bisschen Background ihren Vater betreffend”, schlug er vor, statt auf ihre Frage einzugehen.
    “Womit soll ich anfangen?”
    “Wie war sein Name?”
    “Lee Barker.”
    “Was war er von Beruf?”
    “Er arbeitete als Reverend; war sehr fromm, aber auch

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