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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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die Sache gewachsen war. Nimm Clay Montgomery, sagte er sich. Nach der Indizienlage hatte er einen Mord auf dem Gewissen und war trotzdem nicht belangt worden. Die Polizei von Stillwater war eine Truppe von Trotteln und Stümpern. Vor denen hatte er keinen Schiss!
    Er schnappte sich seine Autoschlüssel, schlich sich aus seinem Wohnwagen und bestieg seinen Truck, um im Supermarkt ein paar Lebensmittel einkaufen zu fahren.

10. KAPITEL
    D er Anblick des gefalteten Blatts Papier, das aus ihrem Tagebuch fiel, schlug Madeline sofort auf den Magen. Sie wusste auf Anhieb, um was es sich handelte. Sie hatte den Zettel damals aus dem Abfall gefischt, nachdem ihr Vater ihn zerknüllt und fortgeworfen hatte. Siebenundzwanzig Jahre hatte sie ihn nicht mehr gesehen, und doch war ihr jedes Wort, jede Zeile unauslöschlich im Gedächtnis haften geblieben.
    Als Hunter ihn nun aufhob, protestierte sie nicht. Vermutlich hätte sie es getan, nur bekam sie einfach keine Luft. Sie konnte lediglich zusehen, wie er mit seinen schlanken Fingern das Blatt auseinanderfaltete und mit seinen blassblauen Augen den Inhalt überflog.
    Nach einigen endlosen Sekunden hob er den Blick. “Ihre Mutter hatte vor, Ihren Vater zu verlassen?”
    Madeline brannte die Kehle, so sehr war sie bemüht, sich die Tränen zu verkneifen. Anstatt zu antworten, griff sie nach dem Blatt, das er ihr widerstandslos überließ.
    Liebe Mom
,
    ich kann nicht mehr. Jeder Tag ist dunkler als der vorige. Ich muss Lee verlassen, und zwar so bald wie möglich. Ich kann es nicht erklären, und ich kann auch nicht zu dir kommen. Noch nicht. Allerdings brauche ich Geld. So viel du erübrigen kannst. Bitte! Jeder Cent hilft mir weiter …
    Madeline konnte nicht weiterlesen, denn vor lauter Tränen verschwamm der Text vor ihren Augen. Mit flatternden Augenlidern schob sie das Schreiben beiseite, um nicht vollends von ihren Gefühlen überwältigt zu werden. Sie wollte sie nicht mehr sehen, die wunderschöne Handschrift ihrer Mutter, wollte ihn nicht mehr spüren, jenen quälenden Verlust, der sich bleiern auf ihre Schultern legte. Ob ihre Mutter wohl glücklicher geworden wäre, wenn sie Stillwater verlassen hätte?
    Gewissensbisse nagten an ihr – zerstörerisch, überwältigend, schonungslos. Damals hatte sie den Brief gefunden, als sie in der Schmuckschatulle ihrer Mutter einen doppelten Boden entdeckte. Der Inhalt des Schreibens hatte sie dermaßen in Panik versetzt, dass sie in Tränen ausbrach. Ihre Eltern, die gerade vor dem Fernseher saßen, kamen ins Schlafzimmer gestürzt. Mit verzweifelt aufgerissenen Augen starrte ihre Mutter auf den Reverend, der Madeline das Schreiben aus der Hand nahm und laut vorlas.
    Er versicherte der Kleinen, dies sei nur ein weiteres Beispiel für zwanghafte Schreibwut ihrer Mutter, ein Nebeneffekt ihrer
Krankheit
. Dennoch sollte Madeline die abgrundtiefe Verzweiflung, die ihrer Mutter damals ins Gesicht geschrieben stand, bis heute nicht vergessen.
    Hunter nahm das Blatt wieder an sich, legte es zur Seite und rückte etwas näher an Madeline heran. Dann griff er ihre Hand. Erst dachte sie schon, er werde sie weiter mit Fragen konfrontieren, auf die sie sowieso keine Antwort geben konnte, jedenfalls im Moment nicht. Aber das tat er nicht. Sie saßen nur stumm nebeneinander, die Finger ineinander verschlungen.
    Da sie ihm nicht in die Augen sehen wollte, konzentrierte sie sich auf seine kurzen, gepflegten Fingernägel, seine gebräunte Haut. Er war ein attraktiver Mann, gar keine Frage. Bisher hatte sie ihn gleichzeitig als abweisend und egoistisch eingeschätzt, doch jetzt zeigte er sich von einer ganz anderen Seite. Er war einfach nur für sie da und bot ihr Halt. Wichtiger noch, er nährte ihre Hoffnung, dass dieses Rätsel, das ihr Leben schon so lange belastete, endlich gelöst werden konnte.
    “Deswegen haben Sie sich so geziert, den Auftrag anzunehmen, stimmt’s?”, fragte sie.
    “Deswegen? Wegen was?”
    “Wegen der emotionalen Ebene, mit der Sie es unweigerlich zu tun bekommen.”
    “Ja, das war mit ein Grund”, gestand er.
    Sie schluckte. Es lag auf der Hand, was er damit meinte. “Wird schwierig für Sie mit dem Recherchieren, wenn nicht mal ich selbst über die Vergangenheit reden kann.”
    “Das Recherchieren ist meine geringste Sorge.”
    Nun sah sie ihn doch an. “Was denn sonst?”
    “Ach, ist jetzt nicht wichtig.”
    Sie wischte sich eine Träne von ihrer Wange, schon wieder einigermaßen gefasst. “Normalerweise

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