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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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habe ich nicht so nahe am Wasser gebaut.”
    “Es gibt eben Momente …”, murmelte er. Sie hätte gern gewusst, was für Momente das bei ihm so waren. Hatte es wohl mit dieser Antoinette zu tun? Was war in seiner Ehe vorgefallen? Bedauerte er wohl, dass er seine Frau verloren hatte?
    Neugierig war sie schon, aber auch klug genug, sich irgendwelche Fragen zu verkneifen. Er hatte ja bereits durchblicken lassen, dass er sein Privatleben strikt vom Beruflichen trennte.
    “Dieser Brief …”, hob er an.
    Als sie sich weigerte, das Blatt auch nur noch einmal anzusehen, verstärkte er seinen Griff um ihre Finger. Einerseits war es wohl eine Geste der Entschuldigung, weil er so hartnäckig in sie dringen musste, andererseits jedoch auch ermunternd gemeint. Er hatte ihr ja gleich gesagt, dass sich schwierige Fragen nicht würden vermeiden lassen. Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass es sich dabei um ihre Mutter drehen würde. Das war nämlich ein Fall für sich – ein dermaßen tiefer Kummer, dass sie ihn lieber nicht wieder zutage fördern wollte. Vielleicht blieben die wahren Dimensionen sogar besser im Verborgenen? Madeline war sich da nicht sicher.
    “Hatten die anderen Briefe einen ähnlichen Inhalt?”, erkundigte er sich.
    Sie sah zu, wie Sophie sich ein bequemes Plätzchen auf dem Sofa suchte. “Wie meinen Sie das?”
    “Ebenfalls Hilferufe?”
    Ein Erinnerungsfetzen ging ihr durch den Sinn … die Stimme ihres Vaters.
Sie hat’s nicht so gemeint, Maddy. Sie geht ja gar nicht weg, stimmt doch, nicht wahr, Eliza?
Darauf die Antwort ihrer Mutter: ‘Nein, nein, natürlich nicht. Ich würde dich doch nie im Stich lassen, Maddy! Nie!’
    “Das war kein Hilferuf!”, betonte sie.
    “Was bitte schön denn sonst?”, fragte Hunter.
    “Na … es gehörte eben dazu. Sie hatte Depressionen und schrieb sich alles Mögliche zusammen. Ganze Bände voll …” Und doch hatte sie ausgerechnet dieses Blatt aus dem Papierkorb gefischt und in ihrem Tagebuch aufbewahrt. Allein das besagte schon, dass es sich um einen Sonderfall handelte – und dass sie sich hier selbst etwas vormachte. “Sie liebte meinen Vater.”
    “Woher wollen Sie das wissen?”
    “Weil … obwohl ich jede Nacht bei ihr im Bett schlief, ging sie zuerst mit ihm ins Schlafzimmer oder ins Bad.”
    “Jeden Abend?”
    “Meistens jedenfalls.”
    “Und Sie glauben, sie schliefen dann miteinander?”
    “Das glaube ich nicht nur, das weiß ich genau.”
    “Warum so genau?”
    “Ich habe sie mal in flagranti ertappt. Meine Mutter war …” Sie räusperte sich, außerstande, das Bild in ihrem Gedächtnis in Worte zu fassen. “Sie waren in einer eindeutigen Position.”
    “Beim Geschlechtsverkehr?”
    Musste sie das etwa in sämtlichen Einzelheiten darlegen? “Ist das denn so entscheidend?”
    “Vielleicht, vielleicht auch nicht.”
    Sie seufzte. Sie tat sich schwer damit, solch intime Dinge zu beschreiben, erst recht gegenüber einem Mann wie ihm. “Er hatte die Hosen heruntergelassen, und meine Mutter kniete vor ihm.”
    “Aha. Und das bedeutet, dass sie ihn liebte?”
    Sie spürte, wie ihr die Röte heiß in die Wangen stieg. “Wenn nicht, dann wäre sie doch wohl nicht so oft mit ihm zusammen gewesen.”
    “Sie könnte sich auch genötigt gefühlt haben”, wandte er ein.
    “Nein. Es ging ja von ihr aus. Wenn er kam und fragte, ob ich denn schon wieder bei ihr schlafen müsse, dann nahm sie ihn bei der Hand, und weg waren sie.”
    Er blieb eine ganze Weile stumm. Schließlich sah sie sich veranlasst, das Schweigen zu durchbrechen. “Wie dem auch sei, jedenfalls mochte sie Stillwater und die Menschen hier. Sie hätte gar keinen Anlass gehabt, die Stadt zu verlassen. Sie ging auch viel aus, besuchte Freunde, Nachbarn und Gemeindemitglieder.”
    Er ließ ihre Hand los, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. “Wen denn zum Beispiel?”
    Ohne seine Wärme wurde ihre Hand ganz kalt. “Meine Mutter konnte sich sehr gut in vereinsamte und kranke Menschen hineinversetzen. Bonnie Rays Ehemann hatte gerade einen Schlaganfall erlitten. Wir gingen öfters zu ihnen rüber und lösten Bonnie ab, damit sie mal ein wenig aus allem rauskam. Oder wir kauften für sie ein. Oder die Mutter von Jedidiah Fowler, die an Altersdemenz litt. Meine Mutter besuchte sie regelmäßig und brachte eingemachte Pfirsiche mit, sodass sich Jed während der Arbeit keine Sorgen um seine Mutter zu machen brauchte.”
    “Wer war noch mal Jedidiah

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