Totgesagt
sich unter seiner Kleidung abhoben, hatte er einen beträchtlichen Teil der vergangenen fünf Jahre an den Hanteln zugebracht. Passend zu seinem erheblich gesteigerten Körpergewicht trug er etliche Tätowierungen mit rassistischen pro-weißen Parolen.
“Was treibt dich denn nach Stillwater?”, fragte sie bewusst forsch.
“Ich wohne hier – auch wenn’s dir nicht passt.”
“Und warum hältst du hier mitten auf der Straße?”
“Als ich das Auto sah, dachte ich, da hätte einer ‘ne Panne.” Ein Muskel zuckte in seiner Wange. “Hätte ich gewusst, dass es deine Karre ist, hätte ich mir die Mühe gespart.”
“Lass dich nicht aufhalten.”
Sein dunkler Blick zuckte zu Hunter hinüber. “Was ist ‘n das für einer?”
Hunter stand so nah neben ihr, dass ihr sein Aftershave in die Nase drang – sein Duft, den sie vorhin, das Gesicht in seine Halsbeuge gebettet, noch tief eingeamtet hatte. Schlagartig fiel ihr alles bildhaft und überdeutlich wieder ein. “Das ist …” – sie musste sich richtig zusammenreißen, um nicht ins Stammeln zu geraten – “… ein Privatdetektiv aus Kalifornien.”
“So ‘n Schnüffler?” Die Panik in seiner Stimme war unverkennbar. “Mann, du gibst wohl nie auf, was?”
“Ich will die Wahrheit wissen, Mike.”
“Von mir aus, bitte sehr. Solange du mich mit deiner sogenannten Wahrheit in Ruhe lässt. Ich habe deinen selbstgerechten, heuchlerischen Kotzbrocken von Vater nicht angerührt.”
“Und wenn doch, dann würdest du es mir sicher freiheraus sagen, was?”, ätzte sie herausfordernd.
“Ach, lass mich doch in Frieden! Kapiert? In den Knast kriegt mich jedenfalls keiner zurück. Vorher bringe ich mich um.” Er dämpfte die Stimme. “Und dich nehme ich mit.”
“Jetzt reicht’s.” Hunter trat zwischen die beiden. “Steigen Sie in Ihren Wagen und hauen Sie ab.”
Obwohl in etwa genauso groß wie Hunter, hatte Mike doch dermaßen muskelbepackte Arme, dass er sie schon gar nicht mehr flach am Körper anlegen konnte. Inzwischen ballte er bereits die Fäuste. Hunter ließ sich davon nicht beeindrucken. Er machte sogar einen Schritt nach vorn. “Ich schlage vor, Sie verziehen sich, und zwar auf der Stelle!”
“Sonst?”, fragte Mike verächtlich lachend.
“Sonst handeln Sie sich unnötigen Ärger ein.”
Madeline hielt den Atem an. Mike schreckte mit Sicherheit nicht vor schmutzigen Tricks zurück. Man sah förmlich, wie es in ihm arbeitete: Am liebsten hätte er gleich zugeschlagen, war sich aber im Klaren, dass das unter Umständen unangenehme Konsequenzen für ihn haben konnte. Zum Glück kam in diesem Moment noch ein Fahrzeug vorbei, am Steuer eine Bekannte von Madeline namens Minnie Hall, die hupte und winkte. Sofort trat Mike den Rückzug an.
“Lass dir ja nicht noch mal einfallen, mir was anzuhängen”, knurrte er und stakste zurück zu seinem Pick-up.
Tief und erleichtert Luft holend, verfolgte Madeline, wie er abfuhr und dabei nur haarscharf am linken hinteren Kotflügel ihres Wagens vorbeischrammte. “Siehst du jetzt, was ich meinte?”, sagte sie zu Hunter.
Seine Miene blieb nahezu undurchdringlich. “Ist nicht mehr mein Fall”, brummte er. Sie hatte den Eindruck, als spräche er gar nicht zu ihr. Es war eher so, als rufe er es sich selbst ins Gedächtnis zurück.
Madelines Redaktion war ein typisches Kleinunternehmen. Es roch nach Druckerschwärze, und an der breiten Fensterscheibe prangte in antiquierten Goldlettern der Schriftzug “
The Stillwater Independent
. Gegründet 1898.”
Hunter sah sich ein wenig um, bemüht, sich gedanklich mit etwas anderem zu beschäftigen, während Madeline vor ihrem Computer saß. An die heimtückischen Blicke, mit denen Mike Metzger sie bedacht hatte, wollte er bewusst nicht denken, ebenso wenig an die in dem geborgenen Cadillac gefundenen Utensilien. Und erst recht nicht an den merkwürdigen Umstand, dass zwei junge Mädchen und eine erwachsene Frau, allesamt dem Reverend eng verbunden, im Zeitraum von achtzehn Monaten gestorben waren. Gewiss, es mochte eine logische Erklärung dafür geben. Es gab ja sogar etliche, nicht wahr? Unfall mit Fahrerflucht, zwei Selbstmorde. Kein Mensch kam offenbar auf den Gedanken, diese Vorfälle zu hinterfragen.
Das lag nach Hunters Dafürhalten allerdings daran, dass niemand einen Lee Barker in Zweifel gezogen hätte. Barker war für die Leute ein Freund gewesen. Onkel, Bruder und Vater. Ihr Oberhirte.
Hunter ging um die riesige Druckmaschine herum,
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