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Totgeschwiegen (Bellosguardo)

Totgeschwiegen (Bellosguardo)

Titel: Totgeschwiegen (Bellosguardo) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Reiter
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reagieren können? Aber sie hatte seine Beschuldigungen nicht weiter hinnehmen können. Anna seufzte. Er musste sich entschuldigen, ansonsten würde sie nicht zu ihm nach Hamburg fahren. Herzschmerz hin oder her. Den Schmerz würde sie schon aushalten. Das war sie immerhin gewohnt.
    Isabelle kam mit dem dampfenden Kaffee zurück. Anna lächelte ihr zu und versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen, als sie dankend den Becher in Empfang nahm.
     
    Was hatte Anna denn da nur am Hals und am Dekolletee? War das ein Hautausschlag? Oder hatte sie sich verletzt? Nachdenklich nippte Isabelle an ihrem Kaffee. Verstohlen sah sie zu Anna hinüber. Das Mädchen saß still auf dem Sofa und blickte auf den Weihnachtsbaum. Den Schal hatte sie jetzt eng um den Hals gewickelt und die Strickjacke bis fast zum Kinn hochgezogen. Nun sah man nichts von den Flecken. Vorhin, als Anna das Wohnzimmer betreten hatte, hatte sie die dunkelroten, bläulichen Flecken deutlich sehen können.
    Vielleicht waren das auch nur Knutschflecken. Dunkel erinnerte sich Isabelle, dass sie früher auch mal welche verpasst bekommen hatte. Aber doch nicht in so einer Menge. Soweit sie das hatte erkennen können, sah das bei Anna eher wie eine großflächige, stumpfe Verletzung aus oder aber wie ein Ausschlag. Aber wenn es eine Hautkrankheit war, dann hätte sie doch etwas sagen können. Dann hätte doch auch Alexander etwas gewusst und gesagt. Oder vielleicht nicht? Alexander war so zugeknöpft, wenn es um seine Tochter ging. Aber nein, wenn sie krank wäre, hätte er etwas gesagt, da war sie sich sicher.
    Wahrscheinlicher war, dass sie sich verletzt hatte. Und das sollte keiner wissen.
    Deswegen trug das Mädchen auch immer diese Rollkragenpullover. Aber warum erzählte sie es noch nicht mal ihrem Vater? Hatte das dieser Domenik getan? Ein Junge, der seine Freundin als Hure bezeichnete, wurde vielleicht auch mal handgreiflich. Wenn Anna ihre Tochter wäre, hätte sie spätestens jetzt nachgefragt.
    Aber Anna war nicht ihre Tochter und sie begann gerade erst , sie kennenzulernen. Wenn sie jetzt etwas Falsches sagte, würde das Mädchen sofort in ihr eisiges Schweigen zurückverfallen. Und Alexander wäre enttäuscht. Sie hatte gestern Abend gemerkt, wie froh er gewesen war, als Anna sich endlich an den Gesprächen am Tisch beteiligt hatte. Er hatte richtig erleichtert und glücklich gewirkt. Wenn sie jetzt einen Fehler machte, würde sie alles wieder zunichte machen. Das konnte sie nicht riskieren.
    Ratlos blickte sie auf den Weihnachtsbaum. Eigentlich musste sie mit Alexander darüber reden. Wenn sie beide die Elte rn von Anna wären, hätte sie gestern nach der WhatsApp Nachricht schon etwas gesagt. Aber sie waren keine gemeinsamen Eltern. Sie waren das, was man eine Patchworkfamilie nannte und sogar das empfand sie in diesem Moment als noch zu hochtrabend. Zu einer Familie müssten sie sich erst hinarbeiten. Das würde ein langer Weg sein und der erforderte viel Vertrauen. Und dafür musste man sich viel besser kennenlernen. Sie würde Anna im Auge behalten und versuchen nach und nach, einen Draht zu ihr zu bekommen. Würden dafür die Weihnachtsferien reichen?
     

19
     
    Zum ersten Mal seitdem sie mit Domenik zusammen war, hatte Anna ihr Handy über Stunden ignoriert.
    Nach einem ausgedehnten Frühstück hatten alle im Wohnzimmer rumgelungert, abwechselnd mit Sophia gespielt und geredet. Es war richtig gemütlich gewesen. Irgendwann hatte ihr Vater sie alle nach draußen gescheucht und zu einem langen Spaziergang durch den Olivenhain und die angrenzenden Weinberge überredet. Das Wetter war mild gewesen und es war sogar die Sonne rausgekommen. Anna hatte Constantin ihre Verstecke und Höhlen aus Kindertagen gezeigt und sie hatten Spaß gehabt. An Domenik hatte sie zwar ab und an gedacht, aber nicht am laufenden Band - so wie sonst.
    Irgendetwas hatte sich in ihr gelöst und sie war auf einmal bereit , diese fremden Menschen kennen zu lernen. Und das machte sogar Spaß. Es hatte sie nicht gestört, dass ihr Vater Sophia auf den Schultern getragen hatte und mit Isabelle Hand in Hand gegangen war. Es hatte einfach nicht falsch ausgesehen.
    Zwischendurch hatte sie mehrfach an ihre Mutter denken müssen. Immer wieder waren Erinnerungen an vergangene Urlaube hochgekommen und auch das Bild von ihren Eltern, wie sie händchenhaltend durch die Weinberge gelaufen waren, war in ihr aufgekommen. Aber dennoch – sie sah in Isabelle nicht mehr die Frau, die ihre

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