Totgeschwiegen (Bellosguardo)
sehr mir das in den letzten Jahren gefehlt hat.“
Isabelle musste lächeln. Es war schön , Alexander glücklich zu machen. Das gab ihr selbst ein zufriedenes Gefühl. Seit Weihnachten war sie jetzt ununterbrochen hier in dem Haus gewesen. Sophia hatte sich gut im Kindergarten eingelebt und sprach auch schon ein wenig Italienisch. Ihr eigener Sprachkurs machte auch Fortschritte und sie fühlte sich wohl.
Sie war nicht einsam. Im Gegenteil. Wenn Sophia im Kindergarten war , erledigte sie die Einkäufe und schaffte auch noch ein paar Seiten an ihrem Buch zu schreiben. Die Abende unter der Woche, wenn Alexander in Mailand war, nutzte sie komplett zum Schreiben. Es machte Spaß und sie freute sich schon ab Nachmittag auf ihre Stunden vor dem Computer, in denen sie völlig in ihre selbst erschaffene Phantasiewelt eintauchen konnte.
„Na gut, dann werde ich mal Katharinas Laptop holen. Ich freue mich auf morgen.“
„Ich mich auch. Dicken Kuss, mein Schatz.“
Sie legte ihr Handy auf den Esstisch und war gerade im Begriff aufzustehen , um in Katharinas Arbeitszimmer zu gehen, als sich eine eingehende Nachricht summend ankündigte.
Anna. Wie schön.
Hallo Isabelle, mir geht es gut. Morgen Abend ist eine große Party hier im Internat. Ich freue mich schon darauf und überlege gerade , was ich anziehen soll. Liebe Grüße, Anna
Es schien ihr gut zu gehen, wenn sie sich auf eine Party freute. Isabelle hatte nach den Weihnachtsferien damit begonnen, Anna zweimal wöchentlich eine WhatsApp zu schicken. Auf diesem Weg versuchte sie, Alexanders Tochter über die Entfernung etwas besser kennenzulernen. Sie hoffte, dass Anna sich immer mehr öffnen würde und ihr vielleicht auch erzählen würde, wenn es Schwierigkeiten gab. Anfangs hatte Anna sehr zögerlich geantwortet. Aber mittlerweile hatte sich eine Routine entwickelt und das Mädchen erzählte von ihren Tagesabläufen. Allerdings schien sie normalerweise nicht viel zu erleben. In dem Internat stand Lernen wohl an oberster Stelle.
Isabelle hatte sich immer vorgestellt, dass dort viele Freizeitmöglichkeiten angeboten wurden. Aber entweder traf das auf dieses Internat nicht zu, oder Anna war eher der introvertierte Typ, der viel auf dem Zimmer saß und lernte. So ganz war sie aus Alexanders Tochter noch nicht schlau geworden. Aber mit der Zeit würde sich das schon ändern.
Ein weiterer Zweck dieser WhatsApp-Konversation war auch, Anna ein Ge fühl zu geben, dass es jemanden gab, der sich um sie sorgte und sich für sie interessierte. Isabelle hatte bis jetzt nicht das Gefühl gehabt, dass Alexander einen regelmäßigen Kontakt zu seiner Tochter pflegte. Soweit sie ihn verstanden hatte, rief er sie nur sporadisch alle paar Wochen mal an. Isabelle fand das zu wenig. Mit Constantin hatte sie, seit er aus dem Haus war, einen ganz regelmäßigen Kontakt. Das war gut für sie und auch für ihren Sohn. Sie hatte Alexander dazu ermuntert, seine Tochter nun jedes Wochenende einmal anzurufen.
Sie tippte „I ch wünsche Dir viel Spaß auf der Party“ ein und schickte die Nachricht ab.
Am Samstag würde sie sich dann erkundigen wie es gewesen war.
Zögernd öffnete sie die Tür zu Katharinas Arbeitszimmer und schaltete das Deckenlicht ein. Diesen Raum betrat sie sonst nie. Er kam ihr vor wie aus einer anderen Zeit. Die Einrichtung passte nicht mehr zu dem übrigen Haus - ein weißes Ikearegal, ein Korbstuhl und ein dunkelbrauner, schwerer englischer Schreibtisch - die Möbel wirkten irgendwie zusammengewürfelt.
Das hier war und blieb Katharinas Reich. Isabelle schüttelte den Kopf. Wie lange sollte dieses Zimmer so bleiben? Bis Anna und Alexande r ihre Trauer vollständig überwunden hatten? Aber war das überhaupt möglich?
Sie hatte das Gefühl, dass Alexander immer wieder mal so Momente hatte , in denen er völlig abwesend und weit weg war. Dachte er dann immer an seine verstorbene Frau? Alle paar Wochen ging er auf den Friedhof und sah nach dem Grab. Sie hatte ihn nie wieder gefragt, ob sie ihn begleiten solle und er hatte sie auch nicht darum gebeten.
Isabelle ging auf das Regal zu und fand den Laptop augenblicklich. Wie schön, Katharina hatte auch ein Macbook gehabt. Da musste sie sich gar nicht umgewöhnen. Behutsam nahm sie das Gerät aus dem Regal und verließ das Zimmer wieder. In diesem Raum hatte sie einfach nichts zu suchen.
Hoffentlich funktioniert e der Laptop noch. Aber warum auch eigentlich nicht? Drei Jahre waren zwar für einen
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