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Totgeschwiegen

Totgeschwiegen

Titel: Totgeschwiegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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als er versuchte, seine Emotionen im Zaum zu halten.
    “Es ist gut”, flüsterte sie. “Es ist ja alles gut jetzt.”
    Er sah sie an, und sie versuchte zu lächeln. Nach achtzehn Jahren hatten sie beide genug gebüßt. Sie verdienten einen Neuanfang. Sie wusste, es würde noch sehr lange dauern, bis sie mit sich selbst im Reinen war. Aber sie konnte damit anfangen, ihrem Bruder zu vergeben.
    Als er merkte, was in ihr vorging, schlang er seine Arme um sie und drückte sie an sich, als sei sie noch ein kleines Mädchen. “Ich würde alles dafür geben, wenn ich das ungeschehen machen könnte”, stieß er hervor, und endlich spürte sie, wie die unsichtbare Mauer, die zwischen ihnen gestanden hatte, nachgab und zusammenfiel.
    Sie legt ihren Kopf auf seine Schulter und genoss das Gefühl von Geborgenheit, das von ihm ausging. Clay war Sicherheit, er liebte sie. Er tat alles für sie. “Ich weiß”, murmelte sie.
    Schließlich ließ er sie los, rieb sich mit den Händen über das Gesicht und blickte verlegen drein, weil er etwas von sich preisgegeben hatte, das er lange Zeit verborgen hatte.
    “Also los”, sagte er grimmig entschlossen. “Wir räumen jetzt dieses verdammte Büro aus.”
    Sie schaute ihn verblüfft an. “Aber … was ist mit Madeline?”
    “Uns wird schon was einfallen”, sagte er und ging zur Tür. “In diesem Fall haben deine Gefühle eindeutig Vorrang. Und ich finde, du hast schon viel zu lange darauf gewartet.”

16. KAPITEL
    I m ehemaligen Büro des Reverends war es stickig und heiß. In allen Ecken hingen Spinnweben. Es roch nach Schimmel. Durch ein Loch im Dach war Wasser eingesickert und hatte einen Teil der Decke und eine Wand modrig werden lassen. Es war ein Schaden, der Grace an den bösartigen Charakter ihres Stiefvaters erinnerte. Auch er hatte sich ganz langsam an sein unheilvolles Werk gemacht und alles, was mit ihm in Berührung kam, verdorben.
    Grace blieb im Eingang stehen und versuchte Kräfte zu sammeln, um in das Reich des Bösen vorzudringen, aber Clay ging ohne zu zögern hinein und zog die Jalousien hoch. Dann griff er nach einem alten Tuch und wischte damit über die schmutzigen Fensterscheiben.
    Als er fertig war, drang das Sonnenlicht herein und beleuchtete den Ort, an dem Reverend Barker seine Predigten verfasst und seine Stieftochter missbraucht hatte.
    “Stehst du das durch?”, fragte Clay.
    Sie nickte.
    Er trat zu ihr und sah sie besorgt an. “Bist du sicher? Du siehst aus wie ein Gespenst.”
    “Das Gespenst bin ja nicht
ich”
, sagte sie leise.
    “Meinst du, er beobachtet uns?”
    “Das will ich doch hoffen.” Sie wollte, dass Lee Barker sah, dass sie noch immer lebte und selbst über ihr Leben bestimmen konnte. Jetzt hatte sie genügend Kraft dafür.
    “Er schmort garantiert in der Hölle”, sagte Clay.
    Sie machte einen Schritt nach vorn und dann noch einen und ging zum Aktenschrank, in dem der Reverend seine Unterlagen aufbewahrt hatte. Sie hatte keine Ahnung, was er mit all den Polaroidfotos von ihr gemacht hatte, aber sie wusste, dass einige hier versteckt waren. Nachts, wenn alle anderen schliefen, hatte er ihr zugeflüstert, dass er sie ihrer Mutter zeigen würde, wenn sie sich nicht von ihm anfassen ließ. Die Angst davor, die Enttäuschung in den Augen ihrer Mutter zu sehen, hatte sie gefügig gemacht. Sie wollte nicht, dass die Familie in die Brüche ging, ihnen die Existenzgrundlage nehmen und daran schuld sein, dass Madeline von ihnen getrennt wurde. Irgendwann genügte es ihrem Stiefvater nicht mehr, sie in sein Büro zu rufen. Er wurde so dreist, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen. Zu diesem Zeitpunkt schämte sie sich schon so sehr, dass er ihr gar nicht mehr drohen musste. Sie hätte fast alles getan, um dieser Demütigung zu entgehen.
Du willst doch nicht, dass deine Mom erfährt, was wir miteinander tun, nicht wahr? Sie wird uns beide verlassen, wird dich bei mir lassen …
    Grace wusste, dass ihre Mutter sie wahrscheinlich nicht verlassen würde. Aber sie glaubte nicht, dass noch jemand sie würde lieben können, wenn herauskam, was sie über sich ergehen ließ. Schließlich hatte ihr Vater sie verlassen. Er hatte zwar behauptet, sie alle zu lieben, aber es war nicht genug, um zu bleiben. Dann ging er fort und kam nie mehr wieder, und obwohl Irene alles versuchte, ihn ausfindig zu machen, war er einfach verschwunden.
    Grace stützte sich an der Wand ab, senkte den Kopf und atmete einige Male tief durch. Ihr war schwindelig. Sie

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