Totgeschwiegen
stammelte sie. “Ich hoffe nur, du hast recht und er ist wirklich in der Hölle.”
Clay trat zu ihr und fasste sie an der Schulter. “Bitte, Grace, du darfst nicht zulassen, dass er dein ganzes Leben ruiniert.”
Genau darum ging es. Ob es ihr gelang, die Oberhand zu behalten, würde sich erst noch herausstellen.
Sie nickte und atmete tief ein. Bald würde sie wieder in ihren Garten gehen und jäten und umgraben, bis der Schmerz endlich verging.
Aber dann sah sie diesen Raum plötzlich mit den Augen ihrer Stiefschwester, und ihr wurde klar, was sie gerade getan hatte. “Aber was sagen wir denn, was hier passiert ist?”, fragte sie.
Clay schob sie sanft auf einen Stuhl. “Wir sagen einfach, dass jemand eingebrochen ist, um nach Spuren zu suchen, und dabei alles verwüstet hat.”
“Ob Madeline uns das glaubt?”
Clay wischte einen Bluttropfen von ihrer Hand, sie hatte sich geschnitten. “So, wie die Leute in der Stadt sich uns gegenüber benehmen, wird sie uns bestimmt glauben.”
Grace senkte den Kopf und schlug die Hände vors Gesicht. “Die arme Maddy. Er war doch ihr Vater. Ich hätte das nicht tun dürfen. Wer weiß, vielleicht wäre er ja kein so schlechter Mensch geworden, wenn es mich nicht gegeben hätte.”
“Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Natürlich war er schlecht”, sagte Clay.
Aber genau das hatte ihr Stiefvater ihr immer wieder erzählt. Jetzt, mit einunddreißig, weigerte sie sich, das zu glauben. Aber damals hatte er ihr das einreden können. Und tief in ihrem Herzen glaubte sie noch immer, dass da etwas dran war.
Clay legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, zu ihm aufzusehen. “Mach dir keine Sorgen”, sagte er. “Du kannst nichts dafür.”
Sie legte ihre Hand auf seine. Clay hatte immer versucht, die Last von allen anderen zu tragen. Aber sogar seine Schultern waren nicht breit genug für das Leid, das der scheinheilige Reverend seinen Mitmenschen zugefügt hatte.
An diesem Abend ging Kennedy wie jeden Donnerstag in die Billardhalle. Diese Woche wollte er nicht spielen, aber es gab keinen besseren Ort, sich über Klatsch und Tratsch zu informieren. Er wollte wissen, wer auf seiner Seite stand und wer auf das Drängen der Vincellis ins Lager von Vicki Nibley gewechselt war.
Joe, Buzz, Tim und Russ Welton, ein Freund, den er lange nicht gesehen hatte, waren schon da, als Kennedy eintrat. Sie riefen ihm eine Begrüßung entgegen, als er hereinkam, und winkten ihn an ihren Tisch. Kennedy hatte schon mehrmals mit Joe telefoniert, seit er das Flugblatt gelesen hatte. Joe behauptete, er wolle sich aus dem Streit heraushalten. Kennedy aber hatte den Verdacht, dass jemand ganz gezielt an diesem Zerwürfnis zwischen den Archers und den Vincellis arbeitete. Als sie erfahren hatten, dass er das Wochenende mit Grace verbracht hatte, waren sie wütend geworden. Normalerweise hätten sie ihn angerufen und gefragt, was zum Teufel ihn denn bloß dazu gebracht hatte. Dass sie gleich so heftig reagiert hatten, ohne überhaupt mit ihm zu reden, war eher ungewöhnlich.
Eigentlich kam nur Joe infrage. Sicherlich tat er nur so, als sei er eine unbeteiligte Randfigur. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass seine Eltern von den Spielschulden erfuhren, die er angehäuft hatte. Kennedy war sich über seine Beweggründe nicht ganz im Klaren, aber als Joe dann beim Billard gegen ihn verlor, beklagte er sich nicht lautstark über seine Niederlage. Das sah gar nicht nach ihm aus.
“Du bist ja gut in Form heute”, lobte Joe und nahm einen Schluck von seinem Bier.
Kennedy stellte seinen Queue in den Ständer und zuckte mit den Schultern. Wer heute gewann oder verlor, interessierte ihn gar nicht, und es hatte keinen Sinn, Joe zu provozieren. “Ich habe diese Woche eben Glück”, sagte er.
“Vielleicht sogar in mehr als nur einer Hinsicht?”, fragte Joe grinsend.
Kennedy merkte, wie die Blicke der anderen Männer sich ihm zuwandten. “Was willst du denn damit sagen?”
“Du triffst dich immer noch mit Grace, stimmt’s?”
“Wir sind befreundet.”
“Sie ist ja eine echte Schönheit geworden”, sagte Buzz, um zu verhindern, dass es zu einer Auseinandersetzung kam.
Joe wog eine Billardkugel in der Hand. “Nur befreundet?”
Kennedy griff nach seinem eigenen Bierglas. “Warum fragst du? Willst du deiner Familie Bericht erstatten?”
Joe warf die Kugel auf den Tisch zurück, wo sie herumrollte und gegen mehrere andere stieß. “Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich mich
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