Totgeschwiegen
ich heirate und Kinder kriege. Sie sind schon so alt; ich will sie nicht verletzen. Und ich will nicht, dass mein Haus womöglich angezündet wird. Wenn es um meine Blumen-Farm geht, bin ich parteiisch.”
“Also geht es nur darum, mich zu unterstützen?”
“Es geht auch um Raelynn und eure Jungs. Ihr seid gute Menschen. Ich möchte nicht, dass ihr mit den Montgomerys in einen Topf geworfen werdet. Selbst wenn Grace mit dem Mord an Barker nichts zu tun haben sollte, hat sie doch all die Jahre geschwiegen – und trotzdem als Staatsanwältin gearbeitet. Schon allein dafür würden sie sie lynchen. Denk an deine Söhne, Kennedy! Wenn sie sich zu ihr hingezogen fühlen, wie sollen sie einen Prozess und eine mögliche Verurteilung dann verkraften?”
Kennedy wollte sich das alles lieber nicht vorstellen. Er hatte sich noch nie in seinem Leben über derartige Dinge Sorgen machen müssen.
“Da kommt Joe”, sagte Janice. “Ich gehe jetzt besser.”
Kennedy hielt sie am Arm fest. “Warte.”
“Nein. Ich habe getan, was ich tun konnte. Ich möchte nie mehr darüber sprechen. Ob du meinen Rat annimmst oder nicht, musst du selbst entscheiden”, sagte sie, riss sich los und verschwand zwischen den Gästen.
Kennedy sah zu, wie sie zum Ausgang lief, und dann war Joe auch schon bei ihm. “Was geht denn hier vor sich?”, fragte er. “Dieses Biest hat dir ja anscheinend etwas ganz Wichtiges mitzuteilen gehabt.”
“Sie macht sich Gedanken über den Zustand der Straße, in der sie wohnt”, sagte Kennedy. “Wenn ich gewählt werde, soll ich mich darum kümmern.”
Joe schaute ihn skeptisch an. “Und das ist alles?”
“Das ist alles.” Kennedy überlegte, ob er noch ein oder zwei Runden Billard spielen sollte, einfach um noch ein bisschen länger präsent zu sein. Aber er musste die ganze Zeit an Grace denken – und ihm wurde klar, dass er die Vergangenheit nicht länger ignorieren konnte.
Er musste wissen, was in dieser Nacht geschehen war.
Clay ging nicht sofort an die Tür. Kennedy dachte schon, er sei vielleicht gar nicht zu Hause. Er wollte schon aufgeben und heimfahren, um die Babysitterin abzulösen, als das Verandalicht anging. Dann wurde im Fenster neben der Tür ein Vorhang zurückgeschoben, und er spürte, wie jemand ihn musterte.
Schließlich wurde ein Riegel zurückgeschoben und die Tür aufgezogen.
“Kennedy”, stellte Clay erstaunt fest. “Was führt dich denn hierher?”
Kennedy hatte gehofft, Clay würde ihn ins Haus bitten. Da Clay aber nur eine Hose und weder Hemd noch Schuhe anhatte, schien es ein ungünstiger Zeitpunkt zu sein. “Es tut mir leid, dass ich dich so spät noch belästige. Ich würde gern ein paar Minuten mit dir sprechen. Geht das?”
Clay warf einen Blick über die Schulter, womöglich war er also nicht allein. Wenn heute Freitagabend gewesen wäre, hätte Kennedy sich darüber nicht gewundert. Aber mitten in der Woche war das eigentlich ungewöhnlich, denn Clay arbeitete immer sehr hart. Zwar ging er manchmal in eine Kneipe in der Stadt, aber meistens legte er sich sehr früh ins Bett.
“Clay? Wer ist es denn?” Es war eine Frauenstimme, vielleicht die von Alexandra Martin, der Inhaberin des Frühstückscafés, aber es hätte auch eine andere sein können. Es gab nicht wenige alleinstehende Frauen, denen es ziemlich egal war, ob Clay in einen Mordfall verstrickt war oder nicht. Manche waren in einen regelrechten Wettbewerb um seine Gunst eingetreten. Sie kochten für ihn, backten ihm Kuchen, manche gingen auch mit ihm einen trinken, aber vor allem hielten sie ihm das Bett warm. Doch zur großen Enttäuschung seiner vielen weiblichen Anhänger – und zur großen Erleichterung ihrer Angehörigen – blieb er trotz allem irgendwie unnahbar. Kennedy wäre jede Wette eingegangen, dass Grace’ Bruder niemals heiraten würde.
“Soll ich morgen wiederkommen?”, fragte er, obwohl er unbedingt
sofort
mit ihm sprechen wollte.
“Kommt darauf an”, antwortete Clay leise. “Hat es etwas mit meiner Schwester zu tun?”
Natürlich hatte alles etwas mit ihr zu tun. Nur wollte Kennedy es so direkt nicht ausdrücken. “Es geht vor allem um die Vergangenheit.”
Clay trat aus dem Haus und schloss die Tür hinter sich. “Was soll das denn heißen?”
Kennedy überlegte, ob er ihm von seinem Gespräch mit Janice erzählen sollte. Wenn er den Namen eines Zeugen nannte, würde er die Wahrheit sicher leichter erfahren. Aber Janice ging es darum, Teddy und Heath zu
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