Totgeschwiegen
scharf. Offensichtlich focht er einen heftigen inneren Kampf aus. “Ich muss gehen. Ich kann nicht so tun, als würde ich daran glauben, dass du mir die Wahrheit erzählst. Teddy und Heath bedeuten mir einfach zu viel.”
Sie schloss die Augen und lauschte seinen Schritten. Er hatte recht; er war besser dran ohne sie. Aber dann wurde es still, noch bevor er die Haustür erreicht haben konnte. Sie schaute auf. Er stand am anderen Ende des Zimmers und sah sie an.
“Ich habe mich in dich verliebt, Grace”, sagte er mit sanfter Stimme. “Wusstest du das nicht?”
Sie schüttelte den Kopf. Das war eine Lüge. Das musste eine Lüge sein.
Da sie unerbittlich blieb, stieß er einen leisen Fluch aus und ging durchs Wohnzimmer auf die Tür zu.
Grace blieb in der Küche stehen und spürte, wie sich ihre Fingernägel in die Innenseite ihrer Hände gruben.
Geh nicht, bitte!
Wenn er jetzt aus der Tür ging, war es zu Ende. Er hatte sein Herz ausgeschüttet – und sie hatte ihm nichts zurückgegeben.
Aber sie konnte nicht sprechen, ihre Angst nicht überwinden.
Ich habe mich in dich verliebt …
Seine Worte wirbelten durch ihren Kopf, wurden größer und wieder kleiner. Sie hätte sie gern eingefangen, an sie geglaubt, sich an ihnen festgehalten, um ihrem Leben einen Halt zu geben. Aber wie? Achtzehn Jahre lang hatte sie geschwiegen. Es war nicht leicht, darüber zu sprechen. Wenn sie nur daran dachte, erstickte sie beinahe vor Ekel und Scham.
Die Haustür ging auf. Es war besser, wenn er jetzt ging. War es das wirklich? Aber nein! Nicht jetzt! Er war der einzige Mensch, der ihr helfen konnte, über all das hinwegzukommen.
Sie griff nach ihrem Top, presste es gegen die Brust und rannte hinter ihm her. “Kennedy?” Immerhin brachte sie noch dieses eine Wort hervor.
Er drehte sich um. Noch schien er zu hoffen, dass sie ihm etwas zu sagen hatte.
Ihr Mund war trocken, sie konnte kaum sprechen. Sie schluckte und schob alle ihre Ängste beiseite. “Bleib heute Nacht bei mir.”
Er schaute sie ergriffen an. “Grace …”
“Morgen früh kannst du gehen”, sagte sie. “Diese eine Nacht wird auch nichts ändern.”
Kennedy wünschte, er könnte widerstehen. Aber das war einfach unmöglich. Er hatte die Wahrheit gesagt, als er ihr gestanden hatte, dass er in sie verliebt war. Und er war sich auch über diese unglaubliche Ironie des Schicksals im Klaren. Nachdem er Grace so herablassend behandelt hatte, als sie jünger gewesen waren, verzehrte er sich jetzt nach ihr.
Er dachte vage an Heath und Teddy. Er würde niemals zulassen, dass man sie verletzte. Seine Familie bedeutete ihm alles. Aber eine Nacht in Grace’ Armen würde nicht gleich seine ganze Welt auf den Kopf stellen, nicht wahr? Vielleicht würde es ihm ja leichter fallen, von ihr zu lassen, wenn er sein Verlangen gestillt hatte.
Er ging zurück ins Haus und schloss die Tür. Er wollte Grace zu sehr, um auf die Stimmen der Vernunft zu hören. Nicht mal seinen eigenen.
Als er die Hand nach ihr ausstreckte, ließ Grace das Top fallen, das sie gegen ihre Brust gedrückt hatte, und flog in seine Arme. Sie konnte es nicht glauben. Kennedy war nicht gegangen. Er war immer noch bei ihr.
Sie hatten die ganze Nacht.
Er streichelte sie und seufzte, als würde sie sich schöner und wunderbarer anfühlen als alles, was er jemals berührt hatte.
Grace ging es nicht anders. Sie fühlte sich wie im Rausch, als ihre Lippen sich berührten. So etwas hatte sie noch nie zuvor gespürt; sie war im siebten Himmel. War es nicht seltsam, dass sie das höchste Glück ausgerechnet in Stillwater gefunden hatte? Aber vielleicht war es ja gar nicht so seltsam. Dies war nun mal der Ort, an dem sie jedes Extrem zu erleben schien.
“Grace?”, flüsterte er, als seine heißen, feuchten Lippen sich eine kurze Pause gönnten.
Sie konnte kaum antworten, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. “Was denn?”
“Das einzige Verhütungsmittel, das ich habe, ist ein Kondom, das Joe mir vor einem Jahr in meine Jackentasche gesteckt hat.”
“Du bist wohl nicht sehr aktiv?”, scherzte sie, während ihre Knie immer weicher wurden und ihre Haut auf jede Berührung noch empfindlicher reagierte.
“Seit Raelynn war ich mit keiner Frau mehr zusammen”, sagte er.
“Reicht denn dieses Kondom nicht?”
“Hast du nichts anderes?”
“Nein.” George hatte darauf bestanden, dass sie die Pille nahm, aber sie hatte sie vor über einem Monat abgesetzt, als er ihre Beziehung beendet
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