Totgeschwiegen
erstaunt die Augen auf. “Hat er zurückgeschlagen?”
“Er hat’s versucht.”
“Aber du hast ihn fertiggemacht, stimmt’s, Dad?”, fragte Heath stolz. Er begann herumzuhüpfen und Faustschläge gegen einen unsichtbaren Gegner auszuteilen.
“Sich zu prügeln, löst keine Probleme”, entgegnete Kennedy. “Hinterher steckt man nur noch tiefer in Schwierigkeiten, und man ist selbst schuld daran.”
“Was für Probleme hattet ihr denn?”, fragte Heath, nachdem er mit dem Schattenboxen aufgehört hatte.
Das Telefon klingelte und bewahrte Kennedy vor der peinlichen Suche nach einer halbwegs plausiblen Antwort.
“Ich geh dran!”, rief Heath und rannte in den Flur.
Kennedy wusste, dass die Schwierigkeiten, die er gerade angesprochen hatte, schon begannen, als Heath ihm das schnurlose Telefon reichte und sagte: “Es ist Oma.”
Na großartig. Wenn seine Mutter ihn schon so früh anrief, dann konnte das nur bedeuten, dass sie schon Bescheid wusste.
Kennedy benutzte die unverletzte Hand, um den Hörer ans Ohr zu halten. “Hallo?”
“Stimmt es, dass du Joe Vincellis Nase gebrochen hast?”, sagte seine Mutter ohne Begrüßung.
“Ich habe ihn ein paarmal geschlagen, aber ich weiß nicht, ob ich ihm die Nase gebrochen habe.”
Schweigen.
“Mom, bist du noch da?”
“Seine Mutter hat mir erzählt, dass du ihm die Nase gebrochen und ihm ein blaues Auge geschlagen hast.”
“Oh …” Er musterte seine geschwollene Hand. “Dann hat es sich wenigstens gelohnt.”
“Findest du das etwa witzig?”
“Das ist doch egal. Ich kann es ja sowieso nicht mehr ändern.” Er hätte gern hinzugefügt, dass Joes Gesichtsausdruck tatsächlich irgendwie witzig gewesen war, aber er wollte nicht, dass seine Söhne so etwas aus seinem Mund hörten.
“Wie ist es denn dazu gekommen?”
Kennedy atmete langsam aus und trat ans Fenster. “Wir sind eben aneinandergeraten, sonst nichts.”
“Das klingt nach einer Erklärung, die ich normalerweise von Teddy aufgetischt bekomme.”
“Ich bin nicht besonders stolz darauf. Woher weißt du überhaupt davon?”
“Elaine hat mich vor fünf Minuten angerufen. Sie ist hysterisch und hat gedroht, dich wegen Körperverletzung zu verklagen. Sie werden alles tun, was in ihrer Macht steht, um zu verhindern, dass du ein öffentliches Amt in dieser Stadt bekommst. Sie wollen dich sogar von deinem Posten in der Bank absetzen lassen.”
“Sonst noch was?”, fragte Kennedy trocken.
“
Kennedy!”
, rief seine Mutter aus. “Was ist nur los mit dir? Du bist doch noch nie in eine Schlägerei geraten.”
Er konnte ihre Frage nicht beantworten. Dass er mit Grace geschlafen hatte und die Schlägerei machten sein Leben unendlich kompliziert, und er hatte keine Ahnung, was wohl als Nächstes geschehen würde. Irgendwie hatte er die Kontrolle verloren. Trotzdem bereute er nicht, mit Grace geschlafen zu haben. Er würde es jederzeit wieder tun, wenn sie es wollte. Es war ein erfüllendes Erlebnis. Wenn er daran dachte, spürte er, wie ihm ein wohliger Schauer über den Rücken lief.
“Könnte es vielleicht mit der Krankheit deines Vaters zu tun haben?”, fragte seine Mutter mit gesenkter Stimme. “Hat dich das aus dem Gleichgewicht gebracht? Ich weiß ja, dass es dir zu schaffen macht. Wir leiden alle darunter.”
“Ich habe Joe nur so behandelt, wie er es verdient”, sagte Kennedy. “Mit Dad hat das überhaupt nichts zu tun.” Die Tatsache, dass das Leben vergänglich war und er keine Zeit verlieren wollte, könnte natürlich eine Rolle dabei gespielt haben. Aber das war nur ein winziger Bruchteil seiner Motivation. Vor allem ging es wohl darum, dass er etwas haben wollte, was ihm verwehrt wurde. Er wusste ja, wie erfüllend es war, wenn man eine Frau innig liebte. Und er wusste auch, wie schrecklich es war, die Frau zu verlieren, die einem so viel bedeutet hat. Er wollte die Lücke schließen, die sich in seiner Familie aufgetan hatte, als Raelynn starb. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Kinder.
Leider hatten sie sich alle drei eine Frau mit problematischer Vergangenheit ausgesucht.
“Elaine behauptet, ihr hättet euch wegen Grace gestritten. Du sollst bei ihr gewesen sein. Um drei Uhr morgens.”
Und schon wurde alles immer schlimmer … “Ja, das stimmt”, gab er zu.
“Ich kann mir ja vorstellen, was du dort gemacht hast, aber ich verstehe nicht, was Joe dabei zu suchen hatte.”
“Er lungerte draußen vor dem Haus
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