Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totgeschwiegen

Totgeschwiegen

Titel: Totgeschwiegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
Vom Netzwerk:
nicht. Dieses Prasseln und der feuchte Geruch, der aus dem Garten hereinkommt … das führt mir alles wieder so lebendig vor Augen, als wäre es erst gestern gewesen.”
    “Es war aber nicht erst gestern”, sagte er. “Es war vor sehr langer Zeit. Seitdem hat sich alles verändert.”
    “Das ist doch Unsinn, Clay.” Sie zog die Sofadecke über ihre Beine, hatte aber trotzdem das Gefühl, die feuchte Kälte des Regens zu spüren. “
Du
hast dich überhaupt nicht verändert. Du passt immer noch auf diese verdammte Farm auf. Und
ich
bin zurückgekommen und stehe am gleichen Punkt wie früher. Madeline sucht immer noch nach ihrem Vater oder nach einer Erklärung für sein Verschwinden. Inzwischen ist sie der Überzeugung, dass Jed es gewesen ist.”
    “Das denken auch andere.”
    “Ja, aber sie hat sich fest vorgenommen, es zu
beweisen.”
    “Das wird sie nicht schaffen”, sagte er ohne Zögern.
    “Aber sie wird es versuchen und eine Menge Staub aufwirbeln. Ich habe das schon öfter erlebt. Irgendjemand kann sich nicht damit abfinden, dass ein Kriminalfall abgeschlossen ist, und macht weiter, bis eine Tages …”
    “Ohne Leiche sind alle Vermutungen und Verdächtigungen genauso wertlos wie schon vor achtzehn Jahren”, unterbrach er sie. “Die Polizei wird den Fall nicht wieder aufrollen, ohne neue Beweise zu haben. Du kennst dich mit solchen Sachen doch aus. Du bist doch Anwältin.”
    Grace strich sich über die Stirn. Sie war inzwischen lange genug in diesem Bereich tätig, um zu wissen, dass es immer auch Ausnahmen von der Regel gab. “Deswegen habe ich mich von hier ferngehalten! Ich will nicht jedes Mal in Panik geraten, wenn es draußen stürmt! Ich will nicht Madelines Schmerz spüren und sie die ganze Zeit belügen!”
    Das lange Schweigen am anderen Ende der Leitung signalisierte Grace, dass ihr Bruder die gleichen Probleme hatte. Aber dann sagte er: “Vergiss es, Grace, es ist vorbei. Ich lasse nicht zu, dass noch einmal etwas Schlimmes passiert.”
    Es klopfte an der Haustür. Sie schaute überrascht auf die Uhr über dem Kamin. Es war kurz vor Mitternacht.
    “Jemand hat geklopft”, sagte sie.
    “So spät noch?”
    “Vielleicht hat Madeline etwas vergessen.” Sie stand auf und schaute durch das Guckfenster an der Tür. “Ich muss jetzt auflegen.”
    “Wer ist es denn?”
    “Joe Vincelli.”
    “Vincelli! Was will der denn von dir?”
    “Ich weiß es nicht. Aber wenn ich dich in fünf Minuten nicht zurückgerufen habe, kommst du her, okay?”
    “Soll ich nicht gleich mit ihm reden?”
    Sie wollte ihren Bruder nicht hineinziehen. Es war wichtig, dass sie ihre eigenen Schlachten selbst schlug. Außerdem hatte er in der Vergangenheit genug für sie getan. “Lass mich erst mal herausfinden, was er will”, sagte sie und legte auf.
    Sie zog die Tür auf, und der feuchte Wind fuhr ihr durchs Haar. Das Rauschen des Regens verstärkte sich. “Guten Abend. Was gibt’s denn?”
    Joe musterte sie grinsend von oben bis unten. “Hab gesehen, dass bei dir noch Licht ist, und dachte mir, ich könnte ja mal vorbeischauen.”
    “Warum?”, fragte sie sachlich. “Hast du dich verirrt?”
    Er lachte leise vor sich hin und rieb sich verlegen übers Kinn. Jetzt, mit zunehmendem Alter, dank seines dichten Vollbarts, der eng liegenden Augen und seiner schief sitzenden Eckzähne hatte er etwas Wölfisches an sich. “Wollen wir nicht was zusammen trinken und auf die alten Zeiten anstoßen? Ich habe dich in der Pizzeria gesehen, hatte aber keine Gelegenheit, mit dir zu sprechen.”
    “Das lag vielleicht daran, dass du vor deinen Freunden damit angeben musstest, dass du ‘es mir besorgt’ hast, als wir sechzehn waren.”
    Er sah jetzt verlegen aus, als er sich im Nacken kratzte. “Ja, na ja, ich wollte damit ja nichts Abfälliges sagen.”
    Grace umfasste den Türknauf fester. “Geh nach Hause. Ich will nichts mit dir zu tun haben.”
    “Sei doch nicht so abweisend.” Er lehnte sich gegen einen der Pfeiler der Veranda und zündete sich eine Zigarette an. “Wir können es uns doch ruhig ein bisschen netter machen, hm?” Er blies den Rauch in ihre Richtung.
    “Wir beide?”
    Er zwinkerte ihr zu. “Wäre ja nicht das erste Mal.”
    “Es gibt nur ein Problem dabei.”
    “Und das wäre?”
    “Ich würde dich nicht mal an mich ranlassen, wenn du der letzte Mann auf Erden wärst.”
    Sein Grinsen verschwand. Er stieß sich ab und beugte sich zu ihr. “Hast dich wohl verändert,

Weitere Kostenlose Bücher