Totgeschwiegen
schäme mich, dass ich mit zur Ursache deines Leids gehöre.”
“Wenn du mich nicht willst, dann lass mich in Ruhe.” Endlich hatte sie Grund unter den Füßen. Sie entwand sich seinem Griff, aber in diesem Moment drehte er sich so schnell herum, dass sie vor Schreck die Augen aufriss.
Sie prallte zurück, als sein Blick hungrig über ihr Gesicht, ihren Mund, ihre nackten Schultern wanderte.
“Ich will mit dir schlafen, ja das stimmt.” Er löste das Band ihres Bikini-Oberteils und ließ es los. Es fiel herab und entblößte, was er schon einmal gesehen hatte, eines Morgens am Fenster, und von dem er seither träumte. Trotzdem widerstand er dem Drang, ihre Brüste zu berühren. Er legte zwei Finger unter ihr Kinn und hob es an. Dann küsste er sie kurz und sanft. “Es geht mir nicht um
Sex”
, murmelte er. “Ich will dich lieben, Grace. Falls du das noch nicht mitbekommen haben solltest: Da gibt es einen Unterschied.”
Sie stand stocksteif da und sagte kein Wort.
Er richtete sich wieder auf. “So, und wenn du in fünf Minuten nicht wieder in deinem Zelt bist, werde ich diese verdammte Bibel der Polizei übergeben. Verstanden?”
Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ er sie stehen. Er watete an Land und ging direkt zum Zeltplatz. Wenn er nur noch eine Sekunde länger geblieben wäre, das wusste er, hätte er ihr Angebot angenommen.
11. KAPITEL
G race saß am Strand und schaute auf den See hinaus. Sie war völlig verunsichert. Was war da eben eigentlich passiert? Sie war aus ihrem Zelt gestürzt, zutiefst verletzt und verzweifelt, und wenig später hatte sie mit Kennedy Archer umschlungen im Wasser gestanden. Und ausgerechnet in diesem Moment hatte sie jenes Verlangen empfunden, das sich bei ihren intimen Momenten mit George nie einstellen wollte. Wie konnte das sein? Warum waren ihre Gefühle so widersprüchlich?
Sie schloss die Augen und erinnerte sich an Kennedys Kuss, an die Liebkosungen seiner Zunge, an seine Erektion, als sie ihn mit ihren Beinen umfasste. Allein die Erinnerung daran verursachte ihr eine Gänsehaut. Wenn sie diese Gefühle George gegenüber empfunden hätte, dann wäre doch alles gut gewesen …
Aber
Kennedy?
“Nein”, sagte sie leise und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie zitterte heftig und war gleichzeitig froh darüber, dass ihr jetzt so kalt war, denn sie hoffte, diese Kälte würde sie wieder zur Vernunft bringen und sie daran erinnern, dass sie diesem Mann nicht trauen durfte, auch wenn er behauptete, er fühle sich zu ihr hingezogen. Aber sie war doch ganz anders als Raelynn. Und außerdem war da immer noch die Erinnerung an das, was sie einst mit seinen Freunden getan hatte. Wenn sie sich nicht vergeben konnte, wie sollte er es? Sie durften nicht miteinander gesehen werden. Seine Familie würde sie hassen. Und sie konnte auch ihm gegenüber nicht ehrlich über jene Ereignisse sprechen, die vor achtzehn Jahren vorgefallen waren, genauso wenig wie mit George. Wenn die Wahrheit je ans Tageslicht kam, würde sie ihn genauso hart treffen wie sie.
Aber am meisten sorgte sie sich um seine Söhne. Was war, wenn sie sich zu sehr zu ihr hingezogen fühlten?
Sie legte die Stirn auf ihre Knie, umschlang die Beine mit den Armen und versuchte, ihr Zittern unter Kontrolle zu bringen, um endlich klar denken zu können. Das Beste wäre vielleicht, sie würde Stillwater so schnell wie möglich verlassen und wieder in die Großstadt zurückkehren. Aber George wollte sie nicht mehr in seiner Nähe haben, und ihre Familie brauchte sie gerade hier.
“Grace, komm ins Zelt zurück”, hörte sie Kennedys Stimme irgendwo hinter sich. Ihr wurde bewusst, dass sie nicht wieder schlafen gegangen war, wie er verlangt hatte.
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Er fühlte sich schon wieder verantwortlich für sie. Immer wollte er sich kümmern. Er würde bestimmt einen guten Bürgermeister abgeben.
“Ich komme.” Sie stand auf, wischte sich den Sand von den Beinen und traf mit ihm auf halbem Weg zum Campingplatz zusammen. Sie hatte ihr Bikini-Oberteil wieder angezogen, aber als er sie musterte, fühlte sich wieder entblößt, verwundbar, begierig.
Es geht mir nicht um Sex. Ich will dich lieben, Grace
…
Wie es wohl sein würde? Sie wünschte sich so sehr, sich ganz hinzugeben. Mit diesem Mann könnte es möglich sein.
Trotzdem durfte es niemals geschehen.
Sie gingen schweigend nebeneinander her, ohne sich zu berühren. Als sie ihr Zelt erreichte, sagte sie leise gute Nacht und
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