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Totgeschwiegen

Totgeschwiegen

Titel: Totgeschwiegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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Zelt, wurde aber schnell wieder beruhigt. Die Bäume ringsherum bewegten sich nicht und hielten ihre Äste schützend über ihn, während er konzentriert ein kleines, aber tiefes Loch aushob – bis er die Stimme von Joe hörte.
    “Kennedy?”
    “Mist”, murmelte er vor sich hin und schaltete seine Taschenlampe aus. Hastig grub er weiter.
    “Bist du irgendwo?”
    Das Loch war jetzt tief genug. Er legte die Tüte mit der Bibel hinein und begann, es wieder zuzuschütten. Er war gerade dabei, die Erde festzutreten, als es zwischen den Zweigen raschelte.
    “Kennedy?”
    Er stieß den Stein beiseite, den er als Schaufel benutzt hatte, hob seine Taschenlampe auf und stand gerade wieder aufrecht, als Joes Silhouette vor ihm auftauchte.
    “Hier bin ich”, rief Kennedy halblaut.
    “Was zum Teufel tust du denn im Wald?”
    Kennedy dirigierte Joe ein Stück weit weg von der Stelle, an der er gerade gegraben hatte. “Ich habe nachgedacht.”
    “Worüber denn?”
    “Über Raelynn”, antwortete er und hoffte, dass sie ihm diese Lüge verzeihen würde.
    “Du bist immer noch nicht darüber hinweggekommen, stimmt’s?”, sagte Joe. Es war mehr eine Feststellung.
    Kennedy fragte sich, ob er überhaupt jemals über den Verlust von Raelynn hinwegkommen könnte. Sie war ein Teil seines Lebens und würde es immer sein. Allerdings bezweifelte er, dass Joe das verstand, genauso wie er sicher nicht nachvollziehen konnte, dass sich in Kennedys Gefühlswelt etwas geändert hatte. Inzwischen war der akute Schmerz über den Tod seiner Frau einem Gefühl der Leere gewichen, und Kennedy sehnte sich nach einer neuen Beziehung. Nach Liebe – und nach Sex. Nach Lachen und gemeinsamen Unternehmungen. Nach all dem eben, was er mit Raelynn erfahren hatte. “Sie war einfach wunderbar”, sagte er und meinte es auch so.
    Joe nickte. “Das ist wahr. Es wird nicht leicht für dich sein, eine andere zu finden.” Er lachte abschätzig. “So eine wie Grace kann ihr ja wohl kaum das Wasser reichen.”
    Für Kennedy war klar, dass die meisten Menschen in Stillwater Grace völlig falsch einschätzten. Sie ließen nur ihre Verfehlungen gelten und dachten nicht darüber nach, dass es ihr immer wieder gelungen war, aufzustehen und weiterzumachen. “Wir sind alle ein Produkt unserer Erfahrungen”, sagte er.
    Joe warf ihm einen verwirrten Blick zu. “Was meinst du denn damit?”
    Kennedy war sich selbst nicht über seine Gefühle im Klaren. Aber er wusste, dass Grace sich ganz eindeutig von den Frauen unterschied, die er bislang kennengelernt hatte. “Stell dir vor, du pflanzt eine Blume an einen perfekten Ort mit genau der richtigen Menge Wasser und Sonne. Wärst du überrascht, wenn sie blüht?”
    “Wieso redest du denn jetzt auf einmal von Blumen?”, fragte Joe begriffsstutzig.
    “Ist nur eine Analogie.”
    “Nein, ich wäre wohl nicht überrascht”, sagte Joe schulterzuckend. Offenbar hatte er nicht verstanden, worauf Kennedy hinauswollte.
    “Und wenn eine seltene, besonders schöne Blume an einem kargen Ort ohne viel Licht und mit nur wenig Wasser gedeiht – überrascht dich das?”
    “Was redest du denn da?”
    “Beantworte einfach meine Frage.”
    Joe zögerte, aber dann sagte er störrisch: “Ja, klar. Dann wäre ich wohl überrascht.”
    “Du würdest diese Pflanze beschützen, nicht wahr? Du würdest sie als eine Art Wunder betrachten.”
    “Willst du damit etwa sagen, dass du Grace für ein Wunder hältst? Sie hat mit fast allen deinen Freunden geschlafen. Was ist daran bewundernswert?”
    Joe verstand es einfach nicht, das hätte Kennedy sich eigentlich denken können. Er überlegte, ob er all die wenig bewundernswerten Dinge erwähnen sollte, die Joe sich geleistet hatte, entschied dann aber, dass es keinen Sinn machte. Stattdessen gab er ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, um die Spannung zwischen ihnen abzumildern, und schob ihn Richtung Campingplatz. “Vergiss es.”
    “Wir sind zusammen aufgewachsen”, sagte Joe. “Ich dachte, ich würde dich kennen. Aber so langsam mache ich mir Sorgen.”
    Kennedy wurde langsam klar, dass Joe ihn überhaupt nicht kannte. Komischerweise waren sie so sicher besser dran. Es würde ihre Freundschaft höchstwahrscheinlich zerstören, wenn sie sich ihre Unterschiede bewusst machten. “Mach dir keine Sorgen”, entgegnete er schnell. “Es bleibt alles beim Alten.”
    “Meinst du wirklich?”, fragte Joe skeptisch.
    “Ganz bestimmt”, versicherte Kennedy. In ein

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