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Totgeschwiegen

Totgeschwiegen

Titel: Totgeschwiegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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über ihren Nacken gleiten ließ. Ihr Haar roch nach dem Rauch des Lagerfeuers. Er küsste sie hinter dem Ohr und ließ seine Hand unter ihrem Sweatshirt langsam nach oben gleiten. Sie stöhnte, als er ihre Brüste umfasste, und es klang, als würde sie allen Widerstand aufgeben.
    Aber dann stieß sie ihn von sich, und sie standen sich gegenüber, beide wie vom Donner gerührt.
    “Was ist los?”, fragte er.
    “Das geht nicht.”
    “Warum?”
    “Weil ich Angst vor den Gefühlen habe, die es hervorruft.”
    “Gefühle sind aber doch etwas Gutes, Grace.”
    Sie strich sich mit der Hand durchs Haar. “Für mich schon. Ich kann dich nicht nur ein bisschen und nur eine Weile lieben.”
    Nur ein bisschen und nur Weile?
War es das, was er wollte?
    Vielleicht. Er wollte eine tiefe Beziehung, um das Vakuum auszufüllen, dass der Tod von Raelynn in seinem Leben hinterlassen hatte. Aber selbst wenn sie beide ihre jeweilige Vergangenheit bewältigten, konnte er ihr keine dauerhafte Verbindung versprechen. Wenn sein Vater erfuhr, dass sie zusammen waren, würde es seinen Tod bedeuten. Und das war nur eine von vielen Unwägbarkeiten.
    Trotzdem konnte er sie nicht einfach loslassen.
    “Ich habe bereits eine wunderbare Beziehung gehabt. Ich weiß, wie es sein kann”, sagte er.
    “Aber was bedeutet das für
uns?”
    “Das bedeutet, dass du mir wirklich vertrauen sollst. Ich bin nicht Joe.”
    “Ich soll mich dir also ausliefern.”
    “Aber ich liefere mich dir auch aus”, sagte er, obwohl er wusste, dass sie beide auf ganz verschiedene Art verletzlich waren.
    Sie schüttelte den Kopf. “Wir würden scheitern.”
    “Lass es uns riskieren”, bat er. “Wer weiß, wohin unsere Freundschaft uns führt.”
    Sie schien zu schwanken, aber dann sagte sie: “Nein.”
    “Warum nicht?”
    “Weil unsere Freundschaft nirgendwohin führen kann, Kennedy. Ich beneide dich um deine innige Beziehung zu Raelynn, aber ich bin nicht so wie sie. Außerdem interessiere ich mich nur für eine einzige Sache.”
    “Du meinst die Bibel.”
    “Wirst du sie mir geben?”
    Kennedy war kurz davor, in seine Hosentasche zu greifen. Er wollte seine Loyalität beweisen, ihr klarmachen, dass er sie nicht benutzen wollte. Aber wenn Grace und ihre Familie wirklich etwas mit dem Verschwinden von Lee Barker zu tun hatten, konnte er dann zulassen, dass ein solches Beweisstück in Rauch aufging? So gefährlich dieses Buch im Augenblick für Grace war, so nützlich konnte es doch als Beweismittel werden, wenn der Fall wider Erwarten doch einmal vor Gericht kam. Denn dann könnten die Anmerkungen des Reverends die Schuldigen entlasten.
    Statt die Bibel hervorzuholen, rieb er sich mit der Hand über das Gesicht und sagte: “Geht nicht.”
    “Du willst mich also doch den Wölfen zum Fraß vorwerfen.”
    Er verzog das Gesicht. “Nein, bestimmt nicht. Ich habe sie schon vernichtet.”
    “Wann?”
    “Gestern Abend, als du schon ins Zelt gegangen warst.”
    Ihre Augen funkelten, als sie zu ihm aufsah. “Warum?”
    “Weil ich erregt war. Der Reverend war ein Betrüger. Ich hasse ihn genauso sehr wie du.”
    Offenbar klang er überzeugend genug. Sie entspannte sich. “Du hattest recht”, sagte sie und hielt sich an einem Baumstamm fest, als sei ihr schwindelig geworden.
    Kennedy spürte, wie sein Herz bis zum Hals pochte. “Womit?”
    “Mit dem, was er mit mir gemacht hat”, sagte sie. Dann hob sie hastig ihre Taschenlampe auf und rannte davon.
    Kennedy blieb stehen und ließ die Stille auf sich einwirken, während er zu verarbeiten versuchte, was sie gerade gesagt hatte. Er hatte noch nie so heftige Gefühlsaufwallungen erlebt wie jetzt mit Grace. Raelynn war fröhlich, lieb und verlässlich. Sie hatten sich schon sehr früh ineinander verliebt und eine relativ problemlose Beziehung miteinander geführt.
    Grace hatte recht – sie war kein bisschen wie Raelynn. Sie war durch die Hölle gegangen und würde womöglich nie darüber hinwegkommen. Warum sehnte er sich dann nur so nach ihr?
Lass die Finger davon
, sagte seine Vernunft,
nein!
    Aber es gab noch diese andere Stimme, die sich überhaupt nicht darum scherte. Sie rief:
Ja, ja, ja!
    Und diese Stimme wurde immer lauter.
    Grace rannte, so schnell sie konnte. Sie sprang aus dem Wald, umrundete die Waschräume und lief über den Pfad zum Campingplatz. Sie wollte unbedingt ihr Zelt erreichen, bevor Kennedy dort angekommen war. Die Bibel war fort. Auch wenn sie gern dabei zugesehen hätte, wie sie

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