Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
die Hälfte der Gebühren bezahlen.«
Gott allein weiß, was sie daran finden, sich Hollyoaks anzuhören. Der Ton besteht aus Türenknallen, Schluchzen, Prügeleien, Sex und Enthüllungen über die Vaterschaft von Kindern. Als die Werbepause anfing, drehte Nigel die Lautstärke leiser und widmete mir seine volle Aufmerksamkeit. Ich hätte mich gern mit ihm unter vier Augen unterhalten, aber Lance machte keine Anstalten, uns allein zu lassen, und ich konnte ja schlecht einen blinden Mann bitten, irgendwo anders im Dunkeln zu sitzen, also erzählte ich ihnen beiden von meinen zahlreichen und vielfältigen Problemen, angefangen mit der Jeremy Kyle Show und endend mit Daisys unübersehbarer Traurigkeit. Nigel sagte (unter Verwendung von, meiner Ansicht nach, übertrieben vielen Metaphern): »Du hast eine seltene Orchidee in einen dunklen Schuppen gesperrt. Du hast sie nicht genährt oder ihr ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Ist es da ein Wunder, dass ihre Wurzeln ums Überleben ringen? Daisy ist ein gefangener Vogel mit gebrochenen Flügeln, sie ist ein Fabergé-Ei, das du vier Minuten lang gekocht und zum Frühstück verspeist hast.«
Ich bremste ihn, als er sich gerade in eine neue Metapher um Daisy als verschütteten Vulkan stürzen wollte.
Lance sagte: »Ich habe heute Morgen lange mit Daisy telefoniert. Sie hat mir gesagt, euer Liebesleben sei wie die Wüste Kalahari. Sie sagte, ihr kämpft euch durch Treibsand zum Gipfel einer Düne, erreicht ihn aber nur sehr selten gemeinsam.«
Nigel und Lance fanden das amüsant.
Ich sagte: »Ich bin schockiert und fühle mich hintergangen, wenn ich höre, dass meine Frau die intimsten Details unseres Liebeslebens ausplaudert.«
Worauf Nigel lässig erwiderte: »Jetzt bleib mal locker, Frauen erzählen immer schwulen Männern ihre intimsten Geheimnisse.«
»Wir sind die Hüter des Wissens«, sagte Lance, »und mit intim meint er nicht die Inneneinrichtung.«
Wieder lachten sie.
Ich sah mich im Wohnzimmer um. Obwohl sie nichts sehen können, ist es ihnen irgendwie gelungen, Teppich, Vorhänge und Kissen farblich aufeinander abzustimmen.
Haben schwule Männer ein extra Gen für Innenaus stattung?
Als ich nach Hause kam, war meine Mutter da und unterhielt sich mit Daisy über das Problem Lucas/Jeremy Kyle. Es beunruhigte mich, dass sie die Vorteile erwogen, »alles aufs Tapet zu bringen und die Sache endlich aus der Welt zu schaffen«, wie meine Mutter es formulierte. Ich sprach mich leidenschaftlich und, wie ich fand, eloquent dafür aus, Familiengeheimnisse im Verborgenen und ungelöst zu belassen, aber die beiden bedachten mich mit einem Blick, den ich nur als ungläubiges Mitleid beschreiben kann, und nahmen ihre Debatte wieder auf. Gracie saß nebenan mit meinem Vater und sah sich zum 79. Mal (mein Vater zählt mit) Der Zauberer von Oz an, also ging ich in die Küche und setzte die Arbeit an Pest! fort. Ich schrieb einen Monolog für einen Pestkranken.
Szene VI
Dorfanger, Mangold Parva. Es ist Markttag. Ein Rudel Hunde überquert die Bühne von links nach rechts und geht ab. Ein Huhn trippelt in die Bühnenmitte und legt ein Ei, geht dann rechts ab. Dorfbewohner kaufen und verkaufen ihre Produkte. Es fängt an zu schneien. Ein Pestkranker taumelt von links auf die Bühne und spricht das Publikum an. Die Dörfler weichen ängstlich zurück.
Pestkranker (an das Publikum gerichtet): Ich sehe wohl, dass ihr euch abwendet von meinem armen, siechen Leib. Nicht Mann noch Frau berührt mein faulig Fleisch, gewähret mir Trost und barmherzige Worte. Der Tod wartet schon an der nächsten Ecke auf mich, denn kein Mensch kann weiterleben, den die Pest hat berührt. Ich möchte diese Welt nicht verlassen, es gibt viele Freuden, die ich noch nicht erblickt’. Im Osten, hörte ich, befindet sich ein Meer, auf dem Schiffe nach fremden Ufern segeln, im Süden ein Kreis aus heiligen Steinen, den man Stonehenge nennt, und im Westen lieget die große Stadt Leicester, wo es viele funkelnde Gebäude von solcher Pracht gebe, dass niederes Volk sich verwundert die Augen reibt und glaubet zu träumen.
Eine Bauersfrau nähert sich dem Pestkranken.
BAUERSFRAU : Pack dich, du teuflischer Pestkranker! Scher dich fort in ein Loch, Schmutziger, und stirb! Du gehörst an keinen öffentlichen Ort!
GODFRIED drängt sich durch die Menge auf die Mitte der Bühne.
GODFRIED : Habt doch Erbarmen mit diesem armen Teufel. Hat er nicht Fleisch genau wie ihr? Hat er kein Herz, keine Seele, keine
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