Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
Lautsprechern dröhnte die nervenzerfetzende Kennmelodie von Kaltblütig – eine Tiersendung mit der höchsten Einschaltquote in der Geschichte des Kabelfernsehens. Der Bühnenvorhang öffnete sich ein Stück und gab den Blick frei auf einen geflochtenen Korb vor einer großen Projektionsleinwand. Während die Musik anschwoll, erschien das Bild einer Königskobra auf der Leinwand. Die Kobra richtete sich aus einer zusammengeringelten Stellung auf, wirbelte herum und blähte ihren Hut auf. Ihre Augen glänzten wie kleine polierte Steine, und ihre Zunge fuhr durch die Luft.
»Da«, rief Missy und wies zur Bühne, wo sich die echte Kobra aus ihrem Korb erhob.
In den vorderen Reihen begannen Frauen zu kreischen. Einige Kinder warfen sich schutzsuchend in die Arme ihrer Mütter, andere reckten die Hälse, um einen besseren Blick zu erhaschen. Dann öffnete sich der Vorhang vollends, und der Star von Kaltblütig höchstpersönlich sprang auf die Bühne, das Mikrophon an einem Headset befestigt.
Nick Foster war ein kantiger, gut aussehender Mann mit schulterlangem, sonnengebleichtem braunem Haar. Sein kurzärmeliges, bis zum Nabel offenes Safarihemd spannte sich über mächtigen Armmuskeln. Die Menge tobte, und zu meiner Überraschung klatschte Missy begeistert mit. Foster ließ den Applaus abebben und ging dann behutsam auf die Schlange zu.
Der Mann war ein begnadeter Unterhaltungskünstler. Ohne große Umschweife gab er dem Publikum, weswegen es gekommen war – jemanden, der dem Tod ins Auge sah. Tiefes Schweigen senkte sich über die Zuschauerränge, unterbrochen lediglich vom leisen Schluchzen eines Kindes. Foster hielt inne, sah ins Publikum, fand das weinende Kind und legte den Finger an die Lippen. Das kleine Mädchen verstummte sofort, nickte und richtete sich im Schoß seiner Mutter auf.
Foster lächelte, machte ihr ein aufmunterndes Zeichen und wartete, bis sich das freundliche Lachen gelegt hatte. Dann nahm er die Haltung eines Skaters an, der sich anschickt, eine Reihe gefährlicher Sprünge vorzuführen. Er näherte sich der Schlange, die ihre Aufmerksamkeit immer noch auf die verschreckten Frauen in der ersten Reihe gerichtet hatte, von der Seite. Das Tier nahm keine Notiz von Foster, bis er auf anderthalb Meter herangekommen war.
Die Schlange wandte den Kopf und blickte Foster geradewegs an. Dann ließ sie sich aus ihrer aufrechen Stellung fallen, wirbelte ihren zusammengeringelten Hinterleib herum und hob wieder den Kopf. Nun schaute sie in seine Richtung, bog sich zurück und pendelte leicht hin und her. Foster ging vor der Schlange in die Knie, das Körpergewicht auf den Ballen, den Mund sperrangelweit offen, als wüsste er selbst nicht, ob er mit heiler Haut aus dieser Situation herauskäme.
»Vorsicht, Spucke«, warnte er über das Mikrophon. »Diese fiesen Biester spucken einem gern in die Augen, bevor sie zum Todesbiss ansetzen. Sie wollen ihr Opfer blind machen, meine Damen und Herren, liebe Jungen und Mädchen. Passen Sie auf. Gut aufpassen, Leute.«
Kaum hatte er dies verkündet, als die Schlange auch schon ausholte, ihr Maul öffnete und zwei sichelförmige Fangzähne sehen ließ, bevor ihr Kopf nach vorne schnellte. Ein dünner Strahl schoss durch die Luft.
Doch der Direktor des herpetologischen Instituts war schneller, er duckte sich, wobei er der Schlange noch näher kam. Das Gift spritzte über seinen Rücken hinweg, ohne Schaden anzurichten. Mit einem Mal hatte Foster den Korb zwischen den Knien, die Nase nur Zentimeter vom offenen Rachen der Schlange entfernt. Die Kobra holte wieder aus, und der Menge entfuhr ein Schreckensschrei.
Foster war so schnell, dass man kaum mitkam. Die Schlange stieß zu, und im nächsten Augenblick hatte er sie schon fest im Griff, die Hand direkt unter den klaffenden Kiefern.
Es folgte eine dramatische Pause, erfüllt vom Jubel des Publikums, dann rollte Foster rückwärts und sprang auf die Füße, die Kobra hoch über den Kopf hebend. Das wütende Maul der Schlange stand weit offen, und sie peitschte und wand sich um seinen Unterarm.
»Willkommen bei Kaltblütig !«, röhrte Foster.
Das Publikum tobte. Missy sprang auf die Füße und applaudierte begeistert. »Ist er nicht wie Indiana Jones?«, rief sie mir zu.
Ich konnte es nicht fassen, dass sich da eine meiner abgebrühtesten Detectives wie ein Groupie im Angesicht von Mick Jagger benahm. Dr.Hood trat mit einem schwarzen Metallbehälter auf die Bühne. Foster hielt ihr die Schlange hin. Sie
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