Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
»Christina bezeichnet dich als den Weltmeister im Ausweichen.«
»Christina soll sich um ihren eigenen Kram kümmern. Ist nicht böse gemeint.«
»Hab ich auch nicht so verstanden«, sagte er und öffnete die Tür. »Sie kann einem schon auf den Wecker fallen, dauernd will sie von einem wissen, wie man sich fühlt, und dann will sie einem alles erklären. Trotzdem, sie ist eine prima Frau.«
»Stimmt.«
»Aber wenn das mit den Träumen schlimmer wird, solltet ihr mal miteinander reden.«
Ohne zu antworten ging ich auf das Yellow Tail zu. In meinen ersten Jahren bei der Polizei, nach meiner Baseball-Karriere und bevor ich Fay kennen lernte, hatte ich regelmäßig zu später Stunde in diesem Nachtclub Station gemacht. Mein erster Besuch seit nunmehr elf Jahren versetzte meiner Stimmung allerdings einen größeren Dämpfer als meine Unterhaltung mit Rikko. Der Parkettboden sah abgewetzt aus, die Wände schmuddelig, die Fenster waren schon lange nicht mehr geputzt worden. Nur die Poster an den Wänden waren neu – sie zeigten Sportler und Hollywood-Stars –, aber die Kundschaft bestand noch immer aus den gleichen einsamen Verlierern, die nach ein wenig Liebe Ausschau hielten.
Eine Rothaarige Ende zwanzig in einem ärmellosen Zebralook-Hosenanzug, der die Langeweile im viel zu stark geschminkten Gesicht stand, steuerte auf uns zu. Das blassgraue Namensschild verriet uns, dass sie CAMILLE genannt wurde.
»Zwei Personen? Zum Essen?«, fragte sie.
»Unsere Mägen sind nicht robust genug für derlei Experimente«, erwiderte Rikko und hielt ihr die Marke hin. »Ich habe vorhin angerufen, wollte ein paar Takte mit dem Personal reden.«
Ihr Gesicht erstarrte. »Die Spätschicht kommt gerade erst.«
»Und wie steht es mit Ihnen, Camille?«, fragte ich. »Haben Sie letzten Donnerstag gearbeitet?«
»Klar«, sagte sie, kaute herausfordernd ihren Kaugummi und schaute zu mir hoch. »Und?«
Rikko zückte das Foto von Cook und die Phantomzeichnung nach der Beschreibung, die uns Mary Aboubacar geliefert hatte. »Die da schon mal gesehen?«
Bei der Zeichnung schüttelte Camille den Kopf. Das Foto nahm sie in die Hand und betrachtete es genauer. »Den hier vielleicht. Wieso?«
»Er ist tot«, sagte ich. »Wir versuchen herauszufinden, wie’s passiert ist.«
»Oh«, sagte sie und runzelte die Stirn mit den schmalen Augenbrauen. Dann tippte sie unnötig lange mit dem Fingernagel auf dem Foto herum. »Ja, ich glaub, der war hier. Gut aussehend für sein Alter. Ein bisschen wie Sie, Sergeant.«
»Ist er mit jemandem weggegangen?«, fragte ich und ignorierte die Anmache.
»Da muss ich passen.« Camille hob die Schultern. »Donnerstags ist hier immer viel los. Der Typ hat an der Bar gegessen. Reden Sie doch mal mit Stan.«
Rikko sah zur Bar hinüber, wo ein magerer Mann mit einer Heavy-Metal-Frisur Bierkrüge einräumte, und setzte sein Wolfsgrinsen auf.
»Sieh mal an, Stanley Galusha, ein alter Bekannter.«
Auch der Barmann schien sich an Rikko zu erinnern. Kaum sah er den Israeli, der mit leicht irre flackerndem Blick auf ihn zusteuerte, da suchte er panisch das Weite.
Rikko setzte über den Tresen und rannte ihm über einen schmalen Gang hinterher. Beim Militär hatte sich mein Schwager Krav Maga angeeignet, eine waffenlose Kampftechnik der Israelis. Später kam Aikido hinzu, eine japanische Variante des Ringens, bei der das Körpergewicht des Gegners gegen ihn selbst ausgenutzt wird.
Er schnappte Galusha kurz vor dem Hinterausgang am Kragen, wirbelte auf einem Bein herum und setzte das andere zurück. Die Drehbewegung brachte den Barmann aus dem Gleichgewicht, sodass er durch den Hinterausgang auf den Schotterbelag neben den Altglascontainer fiel. Als ich bei ihnen ankam, war Rikko schon eifrig dabei, Galusha mit der Mündung seiner Beretta das Schmalz aus dem linken Ohr zu kratzen.
»Und jetzt erklär’s mir, Stanley«, knurrte Rikko. »Sag, was du für einen scheiß Grund hast, abzuhauen.«
»Ich bin sauber, Varjjan«, stöhnte Galusha. »Ich schwöre es.«
Rikko sah zu mir hoch. »Sauber will er sein, aber wegrennen tut er, Shay.«
»Er macht mir Angst«, brüllte Galusha mir zu, die Augen aufgerissen wie ein scheuendes Pferd.
»Alle haben Angst vor Detective Varjjan«, bestätigte ich. »Aber nicht alle laufen vor ihm weg.«
»Was würden Sie tun, wenn der Kerl, der Sie für zwei Wochen krankenhausreif geschlagen hat, wieder mit dem gleichen durchgeknallten Blick auf Sie zukommt?«
»Du hast ihm einen
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