Toxin
ersten Auftrag zu vergeben«, verkündete Bobby Bo.
»Hervorragend«, entgegnete Shanahan mit seinem leichten gälischen Akzent.
»Setzen Sie sich«, forderte Bobby Bo ihn auf. »Ich erzähle Ihnen, worum es geht.«
Fünf Minuten später verließen die beiden Männer die Bibliothek. Im Foyer trennten sich ihre Wege. Bobby Bo trat an die Schwelle des ein wenig tiefer liegenden Wohnzimmers und ließ seinen Blick über die Feiernden schweifen. »Wieso ist es hier denn so ruhig?« brüllte er in den Raum. »Sind wir etwa auf einer Beerdigung? Auf geht’s! Feiern wir eine Party!«
Shanahan ging vom Foyer direkt in die Tiefgarage, stieg in seinen schwarzen Cherokee und fuhr hinaus in die Nacht. Er nahm den Ring um die Stadt und fuhr so schnell, wie er gerade noch meinte riskieren zu können. Dann verließ er die Schnellstraße und fuhr in Richtung Westen. Zwanzig Minuten später stellte er sein Auto auf den Parkplatz vor dem El Toro ab. Auf dem Nachtlokal thronte in roten Neonumrissen ein lebensgroßer Stier. Shanahan parkte am Rand, so daß zwischen seinem Wagen und den anderen, vorwiegend klapprigen Pick-ups noch reichlich Platz blieb. Er legte keinen Wert darauf, daß irgendwer seine Tür öffnete und damit sein nagelneues Auto rammte. Schon weit vor dem Kneipeneingang hörte er die dröhnenden Bässe der Latinorhythmen; drinnen war die Musik ohrenbetäubend. Das Lokal war gut besucht; dicker Zigarettenqualm vernebelte die Luft. Die Besucher waren vorwiegend Männer, doch es hatten sich auch ein paar buntgekleidete Frauen mit rabenschwarzem Haar in die Kneipe verirrt. Auf der einen Seite befand sich eine lange Theke, gegenüber gab es kleine Sitzecken. In der Mitte waren ein paar Tische und Stühle um eine kleine Tanzfläche plaziert. An der Wand stand eine altmodische, hellbeleuchtete Musikbox. Im hinteren Teil des Raums schloß sich ein Bogengang an, durch den ein paar Poolbillardtische zu sehen waren.
Shanahan musterte die an der Theke stehenden Männer, doch den Mann, den er suchte, konnte er nicht entdecken. Er schlenderte an den Sitzecken entlang, sah ihn aber auch dort nicht. Schließlich gab er auf und steuerte die überfüllte Theke an. Er konnte sich nur mit Mühe durch das Gedränge quetschen, und als er endlich vorm Tresen stand, schenkte der Barkeeper ihm keinerlei Beachtung.
Nachdem der Mann seine Rufe mehrmals ignoriert hatte, wedelte Shanahan mit einem Zehndollarschein. Der Barkeeper kam sofort. Shanahan reichte ihm die Geldnote. »Ich suche Carlos Mateo«, brüllte Shanahan. Das Geld verschwand wie bei einem Zaubertrick. Der Barkeeper sagte kein Wort. Statt dessen zeigte er auf den Hinterraum und tat so, als würde er mit einem Billardstock stoßen. Shanahan bahnte sich seinen Weg über die kleine Tanzfläche. Der hintere Raum war nicht ganz so überfüllt wie der vordere Teil der Kneipe. Der Mann, nach dem er suchte, stand am zweiten Tisch.
Shanahan hatte viel Zeit und Mühe investiert, um den richtigen Mann für das geplante Schadensverhütungs-Komitee zu rekrutieren. Nachdem er etliche Kandidaten in die engere Wahl genommen und interviewt hatte, hatte er sich am Ende für Carlos entschieden. Carlos war in Mexiko aus dem Gefängnis ausgebrochen und eine Weile auf der Flucht gewesen. Vor sechs Monaten war es ihm beim ersten Versuch gelungen, in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Da er dringend einen Job brauchte, war er bei Higgins und Hancock vorstellig geworden. Am meisten hatte Shanahan an Carlos dessen unbekümmerte Einstellung zum Tod beeindruckt. Carlos hatte zwar keine Einzelheiten ausgeplaudert, aber wie er Shanahan erzählt hatte, war er verhaftet worden, weil er einen Bekannten erstochen hatte. Als Arbeiter bei Higgins und Hancock wurde er täglich mit dem Tod von mehr als zweitausend Tieren konfrontiert. Doch was seine Gefühle anbelangte, schien der Vorgang des Tötens sich für Carlos nicht groß vom Waschen seines Pick-ups zu unterscheiden.
Shanahan ging weiter und blieb unter der Lampe stehen, die den zweiten Tisch beleuchtete. Carlos bereitete sich gerade auf seinen nächsten Stoß vor und reagierte nicht auf Shanahans Begrüßung. Shanahan mußte warten.
»Mierda!« brüllte Carlos und schlug auf die Bande. Die Kugel hatte das Loch verfehlt. Erst jetzt richtete er sich auf und sah Shanahan an.
Carlos war ein drahtiger Mann mit dunklem Haar, dunkler Haut und auffälligen Tätowierungen auf beiden Armen. Sein Gesicht war von buschigen Augenbrauen, einem bleistiftgeraden
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