Toxin
Websters Lexus die Auffahrt hinauf. Die beiden Männer stiegen aus und umarmten sich; die Frauen taten es ihnen gleich. Die Autos wurden von den Dienern weggefahren, während andere Bedienstete die Gäste mit großen Golfschirmen vor dem Regen schützten. Die vier stiegen die breite Treppe hinauf, die zum doppeltürigen Haupteingang führte.
»Ich hoffe, Sie haben Ihre Sicherheitsleute informiert«, sagte Sorenson mit gedämpfter Stimme. »Sofort nach unserem Telefonat«, erwiderte Webster. »Gut. Wir können gar nicht vorsichtig genug sein - schon gar nicht jetzt, wo das Rindfleischgeschäft endlich wieder läuft.« In dem lichtdurchfluteten Foyer war es so hell, daß sie blinzeln mußten. Vor ihnen stand Bobby Bo, eingerahmt von dem massiven Granitsturz und den Türpfosten.
Bobby Bo war ähnlich stämmig wie Sorenson und Webster, und genau wie seine Kollegen war er von seinen eigenen Produkten so überzeugt, daß er regelmäßig erstaunlich große Steaks verdrückte. Er war ein Mann mit einem länglichen Gesicht und einer breiten Brust. Mit seinem maßgeschneiderten Smoking, der handgearbeiteten Fliege mit goldener Nadel und den mit Diamanten besetzten Kragen- und Manschettenknöpfen machte er einen imposanten Eindruck. Sein Vorbild in Sachen Mode war der Mafioso »Dapper Don« - natürlich bevor er verurteilt und inhaftiert worden war.
»Willkommen!« begrüßte Bobby Bo seine Gäste mit einem strahlenden Lächeln, das ein paar goldene Backenzähne zum Vorschein brachte. »Ihre Mäntel können Sie bei der kleinen Dame da drüben loswerden. Den Champagner nehmen Sie sich bitte selbst.«
Vom Wohnzimmer drangen Musik und fröhliches Gelächter ins Foyer; die Sorensons und die Websters waren nicht die ersten Gäste. Im Gegensatz zu der Band, die vor dem Haus musizierte, spielte drinnen ein Streichquartett ein wenig gedämpftere Melodien.
Als die vier ihre Mäntel losgeworden waren, begaben sich die beiden Frauen Arm in Arm zu den anderen Gästen. Die Männer hielt Bobby Bo zurück.
»Sterling Henderson ist der einzige, der noch fehlt«, sagte er. »Sobald er da ist, treffen wir uns kurz in der Bibliothek. Die anderen sind alle informiert.«
»Jack Cartwright kommt auch ein bißchen später«, entgegnete Sorenson. »Ich hätte ihn gerne dabei.«
»Kein Problem. Raten Sie mal, wer heute abend auch da ist?« Sorenson sah Webster an. Sie hatten keine Ahnung, wer der Überraschungsgast sein mochte. »Carl Stahl«, sagte Bobby Bo triumphierend. Sorenson und Webster zuckten leicht zusammen. Ein Schatten huschte über ihre Gesichter.
»Ich fühle mich in seiner Gegenwart immer etwas unbehaglich«, sagte Sorenson schließlich. »Ich auch«, stimmte Webster ihm zu.
»Stellen Sie sich nicht so an!« zog Bobby Bo die beiden auf und fügte lachend hinzu: »Schlimmstenfalls kann er Sie doch nur feuern.«
»Finde ich nicht besonders witzig«, entgegnete Webster. »Ich auch nicht«, sagte Sorenson. »Aber wenn man bedenkt, daß er das tatsächlich tun könnte, sollten wir unser akutes Problem erst recht schon im Keim ersticken.«
Kapitel 14
Samstag abend, 24. Januar
Die Scheibenwischer fuhren gleichmäßig und monoton hin und her. Marsha bog ab und fuhr auf den Schlachthof zu. An den hinteren Teil des langgestreckten, niedrigen Gebäudes schloß sich ein großflächiger, umzäunter Viehhof an. Im kalten Regen sah die Anlage beinahe unheimlich aus. Auf dem großen Parkplatz standen Autos. In ihrer Einarbeitungsphase hatte Marsha den Schlachthof einmal besichtigt. Daher wußte sie, daß sie seitlich um das Gebäude herumfahren mußte. Dort befand sich der Angestellteneingang. Über der Tür hing eine Lampe, die den Eingangsbereich schwach beleuchtete.
Marsha parkte, zog die Handbremse und stellte den Motor ab. Doch anstatt sofort auszusteigen, blieb sie noch ein paar Sekunden sitzen und versuchte sich Mut zu machen. Nach ihrem Gespräch mit Kim war ihr nun doch ein wenig mulmig geworden. Bevor Kim sie darauf aufmerksam gemacht hatte, daß sie sich mit ihrer Schnüffelei womöglich einer körperlichen Gefahr aussetzte, hatte sie daran keinen Gedanken verschwendet. Doch jetzt war sie etwas beunruhigt. Schließlich hatte sie schon etliche Geschichten gehört, denen zufolge die Fleischindustrie gegen ausländische Arbeiter und Gewerkschaftssympathisanten brutale Maßnahmen ergriffen hatte. Sie fragte sich, wie die Leute von Higgins und Hancock wohl auf ihre Aktivitäten reagieren würden, die sie mit
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