Toxin
sie gerade gehört hatte. »Was soll das heißen - die Mühe kann ich mir sparen?«
»Komm!« drängte er und zog sie zurück in Richtung Treppe. »Wir holen meine Pistole. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, daß der Kerl noch einmal zurückkommt, aber wir sollten kein Risiko eingehen.«
Tracy zögerte. »Warum willst du denn die Polizei nicht anrufen? Das macht doch keinen Sinn.«
»Die Polizei unternimmt sowieso nichts. Wenn wir Anzeige erstatten, verschwenden wir höchstens eine Menge Zeit. Sie werden die Geschichte als mißglückten Einbruch abtun - obwohl wir doch wissen, daß es keiner war.«
»Wissen wir das?« fragte Tracy.
»Natürlich«, erwiderte Kim. »Ich sagte dir doch - es war derselbe Kerl, der bei Higgins und Hancock hinter mir her war. Offenbar ist Marsha genau das zugestoßen, was ich befürchtet habe, und jetzt haben seine Auftraggeber Angst vor mir - ob sie nun von Higgins und Hancock sind oder sonst irgendwie mit der Fleischindustrie verbandelt sind.«
»Aber das ist doch noch mehr Grund, die Polizei anzurufen«, drängte Tracy.
»Nein!« sagte Kim entschieden. »Sie werden nicht nur nichts unternehmen, sie könnten mir sogar Ärger machen. Aber vor allem will ich mir nicht bei der Suche nach Beweisen für Kelly Anderson dazwischenfunken lassen. In den Augen der Polizei bin ich doch längst ein Irrer.«
»Aber mich halten sie nicht für eine Irre«, widersprach Tracy. »Das könnte aber schnell passieren«, entgegnete Kim. »Du mußt ihnen nur sagen, daß du mit mir zusammen warst.«
»Glaubst du das im Ernst?« fragte Tracy. So hatte sie die Sache noch gar nicht gesehen.
»Komm!« drängte Kim. »Wir holen die Pistole.« Tracy folgte ihm die Treppe hinauf. Sie war total verwirrt, aber für einen Moment war sie bereit, sich von Kim überzeugen zu lassen. Die Messerattacke hatte sie in einen Schockzustand versetzt.
»Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger bin ich von deinem Vorhaben überzeugt«, wandte sie schließlich ein. »Geht mir genau anders«, entgegnete Kim. »Jetzt fühle ich mich erst recht verpflichtet, etwas zu unternehmen. Seitdem ich weiß, wozu sie bereit sind, um ihre eigene Haut zu retten, sind meine letzten Zweifel wie weggeblasen.« Sie gingen durch die zersplitterte Badezimmertür. Das Wasser lief immer noch. Tracy mußte sich schütteln, als sie sich noch einmal vor Augen hielt, daß nur die Glastür sie von dem Killer getrennt hatte.
Sie folgte Kim ins Schlafzimmer. Er steuerte auf seinen Nachttisch zu und nahm eine kleine achtunddreißiger Smith & Wesson aus der Schublade. Er vergewisserte sich, daß die Pistole geladen war, und ließ sie in seine Jackentasche gleiten. Dann fiel sein Blick auf die offenstehende Tür des begehbaren Kleiderschranks.
»Dieser Wichser muß sich da drinnen versteckt haben«, stellte er fest und schaltete das Licht ein. Der Inhalt der meisten Schubladen lag auf dem Boden verstreut. Er zog die Schublade heraus, in der er seine wenigen Wertsachen aufbewahrte. »Ist ja toll«, bemerkte er sauer. »Er hat die Piaget von meinem Vater mitgehen lassen.«
»Ich glaube, wir sollten die Sache vergessen«, sagte Tracy. »Du solltest lieber nicht versuchen, bei Higgins und Hancock einen Job zu bekommen.«
»Ich habe gar keine andere Wahl«, entgegnete Kim. »Oder glaubst du etwa, ich überlasse dem kampflos die Uhr meines Vaters?«
»Laß die Witze! Ich meine es wirklich ernst. Es ist zu gefährlich.«
»Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun?« fragte Kim. »Sollen wir uns ins Ausland absetzen?«
»Warum nicht«, erwiderte Tracy. »Ist vielleicht gar keine schlechte Idee.«
Kim lachte freudlos auf. »Das hatte ich eigentlich nur so dahergesagt. Wohin würdest du denn gehen wollen?«
»Nach Europa«, erwiderte Tracy. »Ich habe mich nach unserem Gespräch mit Dr. Morgan noch einmal alleine mit ihr unterhalten. Sie hat mir erzählt, daß es ein paar Länder gibt, in denen keine verseuchten Lebensmittel verkauft werden. Zum Beispiel in Schweden.«
»Im Ernst?« fragte Kim.
»Zumindest hat Dr. Morgan das behauptet. Weil sie das Fleisch dort genauer kontrollieren, ist es etwas teurer. Aber die Leute sind der Meinung, daß saubere Lebensmittel den höheren Preis wert sind.«
»Und du könntest dir ernsthaft vorstellen, in einem anderen Land zu leben?« fragte Kim.
»Bevor du mich darauf gebracht hast, habe ich noch nie darüber nachgedacht«, erwiderte Tracy. »Aber ich glaube schon, daß ich das könnte. Das, was Becky
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