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Toxin

Toxin

Titel: Toxin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Street hereilte, lief Kim ein kalter Schauer über den Rücken.
    Sie erreichten die sich vorwärtsbewegende Reihe von Rinderrümpfen. Kim war beeindruckt, wie lässig der Aufseher sich gab. Während er sich duckte und die Reihe passierte, schob er die toten Tiere ungerührt zur Seite, als hätte er es mit Kleidungsstücken zu tun. Genausogut hätte er auch eine Sekunde warten und durch die Lücke schlüpfen können. Kim zögerte, denn er wollte die heißen Körper auf keinen Fall berühren. Er zauderte wie ein Seilspringer, der auf den richtigen Augenblick zum Hineinspringen wartete.
    »Hier will ich Sie haben!« brüllte Street, als Kim schließlich neben ihm stand. Dabei machte er eine ausladende Handbewegung.
    »Die Drecksarbeit fällt hier an, und genau hier haben Sie mit Ihrem Besen zu sein. Kapiert?«
    Kim nickte widerstrebend, während er schon wieder gegen den Brechreiz ankämpfte. Er befand sich in dem Bereich, in dem die inneren Organe entfernt wurden. Riesige, schlangenartige Gedärme quollen aus den herunterhängenden Rümpfen heraus und landeten zusammen mit wabbelnden Lebern, pampelmusengroßen Nieren und bröckeligen Bauchspeicheldrüsenstreifen auf den Tischen aus rostfreiem Stahl. Die meisten Gedärme schienen abgebunden zu sein, doch nicht alle. Entweder hatte man es teilweise versäumt, oder das Band hatte sich gelöst. Jedenfalls gelangten auf die eine oder andere Weise Unmengen von Rinderfäkalien auf die Tische und auf den Boden, wo sie sich mit den Blutbächen vermischten. Kim senkte den Besen auf den Boden und begann, den schlabberigen Dreck in eines der vielen Abflußgitter zu kehren. Während er vor sich hin schuftete, mußte er an Sisyphus und dessen grausiges Schicksal denken. Kaum hatte er einen Bereich vom Schmutz befreit, wurde er schon wieder mit frischem Blut und Innereien besudelt.
    Sein einziger Trost war, daß seine Verkleidung offenbar gelungen war. Er war ziemlich sicher, daß der Mann mit dem Messer ihn nicht erkannt hatte.
    Er bemühte sich nach Kräften, den gräßlichen Anblick seines gespenstischen Arbeitsplatzes zu ignorieren. Statt dessen konzentrierte er sich so gut es ging auf seinen Kehrjob. Mit dem nächsten Vorstoß würde er bis nach der Mittagspause warten.
     
    Shanahan beobachtete durch das Fenster einen Jumbo-Jet, der schwerfällig über die Startbahn rumpelte und dann ebenso mühsam seine Nase nach oben reckte. Obwohl er viel zu langsam zu sein schien, hob er sachte ab und steuerte seinem entfernten Ziel entgegen.
    Er stand in Halle B und wartete auf das Flugzeug aus Chicago. Es war nicht einfach gewesen, dorthin zu gelangen. Die Leute vom Sicherheitsdienst hatten ihn ohne ein Ticket nicht in die Halle lassen wollen. Da er aber mit Derek Leutmann vereinbart hatte, ihn am Flugsteig zweiunddreißig zu treffen, hatte er irgendwie dorthin gelangen müssen. Leider hatten weder Argumente noch gutes Zureden die Leute vom Sicherheitsdienst umzustimmen vermocht. So hatte Shanahan sich schließlich ein Flugticket kaufen müssen, das er gar nicht in Anspruch nehmen wollte.
    Shanahan und Leutmann waren sich noch nie begegnet. Daher hatte Shanahan Leutmann beschrieben, wie er aussah. Zur Sicherheit hatte er dem Mann aus Chicago noch mitgeteilt, daß er eine Bibel bei sich haben werde. Leutmann hatte daraufhin bemerkt, eine Bibel gäbe der Sache einen netten Touch und hatte hinzugefügt, daß er selber eine schwarze Aktentasche in der Hand haben werde.
    Die Tür zur Fluggastbrücke für den Chicago-Flug wurde geöffnet und von einem Sicherheitsmann bewacht. Beinahe im selben Augenblick strömten die ersten Passagiere aus dem Flugzeug. Shanahan nahm die Bibel in die Hand, stellte sich in die Nähe des Ausgangs und musterte erwartungsvoll jeden einzelnen Passagier.
    Der zehnte Fluggast sah vielversprechend aus, obwohl das Äußere des Mannes ganz und gar nicht Shanahans Erwartungen entsprach. Er war um die Dreißig, schlank, blond und sonnengebräunt. Er trug einen Nadelstreifenanzug und eine edle schwarze Aktentasche. In seinem sorgfältig gestylten Haar steckte eine Sonnenbrille. Der Mann blieb stehen und nahm die Umgebung mit seinen blauen Augen ins Visier. Als er Shanahan entdeckte, steuerte er direkt auf ihn zu. »Mr. O’Brian?« fragte Derek Leutmann mit leichtem englischem Akzent. »Mr. Leutmann«, entgegnete Shanahan verblüfft. Er kannte die Stimme des Mannes vom Telefon und hatte sich einen dunklen, kräftigen, körperlich imponierenden Typ vorgestellt. Doch der Mann

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