Toxin
es darauf ankommen und ging durch die türlose Öffnung in den Kopfknochenauslöseraum. Der Aufseher würde ihn schon nicht vermissen.
»Ich bin jetzt in dem Raum, in den die Köpfe geschleust werden«, flüsterte er in sein Mikro. »Möglicherweise finde ich hier was Wichtiges, das Rückschlüsse auf Beckys Infektion zuläßt. Marsha hat in den Papieren irgend etwas entdeckt, das mit dem Kopf des Tieres zu tun hatte. Sie hat gesagt, es sei ›ekelhaft‹, was mir jetzt fast ein bißchen seltsam erscheint, denn ich finde den gesamten Schlachtungsprozeß ekelhaft.« Er sah eine Weile zu, wie von dem Schienensystem alle zwölf Sekunden ein Kopf auf einen Tisch hinabfiel, über den sich sofort mehrere Schlachter hermachten. Mit Messern, die so ähnlich aussahen wie die, mit denen die Tieren die Kehlen aufgeschlitzt wurden, schnitten sie die großen Wangenmuskeln und die Zungen heraus und warfen das Fleisch in einen Zweitausend-Pfund-Kombibehälter. Einen ähnlichen Behälter hatte Kim bei Mercer Meats gesehen.
»Ich lerne jede Minute etwas hinzu«, sagte Kim in sein Mikrophon. »In Hamburgern müssen jede Menge Rinderwangen verarbeitet sein.«
Er registrierte, daß die Rinderköpfe nach der Entnahme der Wangen und der Zungen auf ein flaches Förderband geschoben wurden, das sie schmachvoll in ein düsteres, vermutlich in den Keller führendes Loch stieß.
»Ich glaube, ich muß auch noch in den Keller«, erklärte er widerwillig. Er hatte so ein Gefühl, als ob er wieder einmal seine Angst vor Kellern überwinden mußte.
Obwohl Montag war, hatte Jed Street den Tag bislang als angenehm empfunden. Er hatte gut gefrühstückt, war früh genug bei der Arbeit gewesen, um noch Zeit für eine zweite Tasse Kaffee mit den anderen Aufsehern zu haben, und es hatten sich weniger Arbeiter als üblich krank gemeldet. Gute Leute zu finden und zu halten bereitete ihm die meisten Kopfschmerzen.
Da sich von den wichtigsten Kräften der Tagesschicht keiner abgemeldet hatte, war er zuversichtlich, daß sein Team bis zur Mittagspause annähernd zweitausend Tiere verarbeitet haben würde. Das stimmte ihn zufrieden, denn er wußte, daß es seinen unmittelbaren Vorgesetzten Lenny Striker zufrieden machte.
Street zog den weißen Kittel aus und hängte ihn auf. Er wollte endlich seinen Schreibkram erledigen und hatte sich mit der dritten Tasse Kaffee in sein Büro zurückgezogen. Er ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich. Mit einem Kugelschreiber bewaffnet, ging er ans Werk. Er mußte jeden Tag eine beträchtliche Anzahl von Formularen ausfüllen. Als sein Telefon klingelte, hatte er noch nicht viel geschafft. Bevor er den Hörer abnahm, gönnte er sich noch einen Schluck Kaffee. Ein Anruf am späten Vormittag brachte ihn nicht weiter aus der Ruhe; er konnte sich nicht vorstellen, daß es sich um etwas Ernstes handelte. Obwohl ihm natürlich bewußt war, daß immer etwas passieren konnte. Für einen potentiell so gefährlichen Bereich wie den Schlachtbereich verantwortlich zu sein, hieß, daß die nächste Katastrophe an jeder Ecke lauerte.
»Hallo«, meldete er sich, wobei er die erste Silbe übertrieben betonte. Er nippte noch einmal an seinem Kaffee.
»Spreche ich mit Jed Street? Hier ist Daryl Webster. Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?«
Jed spuckte vor Schreck seinen Kaffee aus. Im nächsten Moment versuchte er die Brühe von den Formularen zu wischen.
»Selbstverständlich, Mr. Webster«, stotterte er. Er arbeitete seit vierzehn Jahren bei Higgins und Hancock, und nicht ein einziges Mal hatte der Boß ihn angerufen. »Einer von Bobby Bos Leuten hat mich angerufen«, begann Daryl. »Er hat mir erzählt, daß wir heute einen neuen Putzmann eingestellt haben.«
»Stimmt«, entgegnete Street. Er spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Die Einstellung von illegalen Einwanderern wurde zwar stillschweigend geduldet, war aber offiziell nicht zulässig. Er hoffte bei Gott, daß sein Chef ihn nicht zum Sündenbock machte.
»Wie heißt der Mann?« fragte Webster.
Street wühlte panisch die Papierstapel auf seinem Schreibtisch durch. Er hatte sich den Namen irgendwo notiert; die Einstellungsformulare hatte er allerdings nicht ausgefüllt. Als er den Zettel mit dem Namen entdeckte, seufzte er erleichtert auf. »Jose Ramerez, Sir.«
»Hat er sich Ihnen gegenüber ausgewiesen?« fragte Webster. »Ich glaube nicht«, erwiderte Street ausweichend. »Wie sieht er aus?«
»Ein bißchen seltsam«, gestand Street
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