Toxin
daß meine Tochter umgehend untersucht wird. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt. Es geht ihr nämlich ziemlich schlecht.«
Monica bedachte ihn mit einem falschen Lächeln. »Wir rufen Ihre Tochter so schnell wie möglich auf. Das sagte ich Ihnen doch bereits. Unsere Kapazitäten sind nun einmal begrenzt. Wenn Sie wirklich seit eineinhalb Stunden hier sind, haben Sie ja sicher mitbekommen, daß etliche Verkehrsopfer eingeliefert wurden. Und gerade hat uns die Polizei angekündigt, daß ein Schußverletzter unterwegs ist.«
Monica hatte kaum zu Ende gesprochen, als wieder das Sirenengeheul eines näher kommenden Krankenwagens zu hören war.
»Das wird er wohl sein«, stellte sie fest und stand auf. Sie ging an die Sprechanlage, drückte auf einen Knopf und forderte das Team in einem der Traumaräume auf, sich für den nächsten Einsatz bereitzuhalten. Dann verschwand sie ebenfalls in den hinteren Bereich der Notaufnahme.
Unzufrieden, weil er wieder nichts erreicht hatte, wandte Kim sich ab. Durch den Haupteingang kamen die Sanitäter mit dem auf einer Bahre liegenden Schußverletzten. Der Mann hatte eine Sauerstoffmaske vor dem Gesicht und war an eine Infusionsflasche angeschlossen. Er war kreidebleich.
»Und?« fragte Tracy, als Kim neben ihr Platz nahm. »Sie wollen uns so schnell wie möglich aufrufen«, erklärte Kim. Den Rest der Unterhaltung behielt er beschämt für sich. Becky hatte sich so gut es ging auf ihrem Stuhl zusammengerollt und die Augen geschlossen.
»Klingt ziemlich vage«, stellte Tracy fest. »Was soll das heißen? In fünfzehn Minuten, in einer Stunde oder morgen früh?«
»Es heißt, so schnell wie möglich - wie ich gesagt habe«, fuhr Kim sie an. »Wie du vielleicht gesehen hast, wurde eben ein Schwerverletzter eingeliefert und ein paar Minuten zuvor mehrere Unfallopfer. Das Personal ist völlig überlastet.«
Tracy seufzte und schüttelte frustriert den Kopf. »Wie geht es Becky?« fragte Kim.
»Sie hatte gerade wieder einen Krampf«, erwiderte Tracy. »Da kannst du dir sicher denken, wie es ihr geht. Du bist doch Arzt.«
Kim sah weg und biß die Zähne zusammen. Er konnte sich kaum noch zusammenreißen. Außerdem bekam er allmählich einen Riesenhunger.
In der folgenden Stunde blieb er stumm und grübelte mißmutig über seine unglaubliche Erfahrung in der Notaufnahme nach. Er brannte darauf, seinen Kollegen davon zu berichten, denn die würden ihn mit Sicherheit verstehen. Becky und Tracy hatten sich offenbar mit der Warterei abgefunden. Jedesmal wenn eine der Schwestern einen Patienten aufrief, hoffte Kim, den Namen seiner Tochter zu hören. Doch nichts dergleichen passierte. Schließlich sah er erneut auf die Uhr.
»Jetzt warten wir schon seit zweieinhalb Stunden!« rief er und sprang auf. »Das kann einfach nicht wahr sein! Wenn ich auch nur ein kleines bißchen paranoid wäre, würde ich annehmen, hier hätten sich alle gegen uns verschworen. Aber jetzt reicht’s! Ich werde etwas unternehmen. Ich bin gleich zurück.«
Tracy sah ihren Ex-Mann an. Unter normalen Umständen hätte sie sich wegen seiner leicht aufbrausenden Art Sorgen gemacht, doch nachdem sie nun schon eine Ewigkeit warteten, war ihr alles egal. Sie wollte nur noch, daß man Becky so schnell wie möglich half. Deshalb sagte sie nichts, als er davonstürmte.
Kim marschierte schnurstracks auf den Schwesterntresen zu, hinter dem einige Pfleger standen und sich unterhielten; hin und wieder lachten sie.
Am Tresen angekommen, nahm Kim die Mitarbeiter ins Visier. Er hoffte immer noch, vielleicht ein vertrautes Gesicht zu entdecken, doch er kannte niemanden, und niemand erkannte ihn. Der einzige, der ihn überhaupt auch nur wahrnahm, war ein junger Mann im Collegealter, vermutlich eine studentische Aushilfskraft.
»Ich bin Dr. Reggis. Was ist hier los?« fragte Kim und deutete auf die untätigen Krankenhausmitarbeiter. »Sie machen eine kurze Pause«, erwiderte der Gehilfe. »Der Schußverletzte und die letzten Unfallopfer sind gerade in den OP gebracht worden.«
»Wer leitet heute die Spätschicht in der Notaufnahme?« wollte Kim wissen. »Dr. David Washington.«
»Ist er hier?« fragte Kim.
Der junge Mann sah sich kurz um. Offenbar war er sich nicht sicher. »Nein«, sagte er schließlich. »Ich glaube, er kümmert sich gerade um einen Fall in der Orthopädie.«
»Und wo ist die Oberschwester?« fragte Kim. »Mrs. Labat ist gerade mit einem psychisch Kranken beschäftigt.«
»Aha«, murmelte
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