Toxin
khakifarbenen Mantel an und trug eine Art Diplomatenköfferchen unter dem Arm.
Kim geriet leicht in Panik, als die Autotür sich nicht sofort öffnen ließ. Er mußte unbedingt mit der Frau sprechen, bevor sie in ihren Wagen stieg. Seit einem lange zurückliegenden Unfall klemmte die Tür seines Autos hin und wieder. Er stieß ein paarmal mit der flachen Hand dagegen, bis sie endlich aufsprang. Hastig stürmte er auf die Kontrolleurin zu, die gerade die hintere Tür ihrer gelben Ford-Limousine geöffnet hatte und dabei war, den Aktenkoffer auf dem Boden vor der Rückbank zu verstauen. Er staunte, wie groß sie war; er schätzte sie auf mindestens einsachtundsiebzig. »Marsha Baldwin?« sprach er sie an.
Überrascht auf dem Parkplatz mit ihrem Namen angesprochen zu werden, drehte Marsha sich um und nahm ihn mit ihren smaragdgrünen Augen ins Visier. Gleichzeitig strich sie sich eine ihrer dunkelblonden Locken aus dem Gesicht und klemmte sie hinters Ohr. Kims Äußeres irritierte sie, und sein gereizter Tonfall versetzte sie fort in Alarmbereitschaft.
»Ja, ich bin Marsha Baldwin«, erwiderte sie zögernd. Erst jetzt nahm Kim die Szenerie vor seinen Augen etwas genauer wahr. Auf der Stoßstange des Wagens, der offenbar Mrs. Baldwins Dienstwagen war, klebte ein Aufkleber mit der Aufschrift: »Rettet die Manatis!« Dann nahm er die Frau näher in Augenschein, von deren Äußerem Mr. Cartwright so begeistert gewesen war. Er schätzte sie auf etwa fünfundzwanzig. Ihre Haut erinnerte an die Farbe von Korallen, sie hatte ein feingeschnittenes Gesicht und eine auffallende, aristokratische Nase. Die Konturen ihrer Lippen waren scharf umrissen. »Wir müssen uns unterhalten«, beteuerte Kim.
»Tatsächlich?« entgegnete Marsha. »Und wer sind Sie? Ein arbeitsloser Chirurg? Oder ein Überbleibsel des gestrigen Kostümballs?«
»Unter anderen Umständen hätten Sie mich mit Ihrer Schlagfertigkeit wahrscheinlich beeindruckt«, erklärte Kim. »Ich habe gehört, daß Sie Lebensmittelkontrolleurin sind und für das Landwirtschaftsministerium arbeiten.«
»Und wer hat Ihnen das erzählt?« hakte Marsha mißtrauisch nach. Man hatte sie während ihrer Ausbildung darauf vorbereitet, daß sie gelegentlich mit Verrückten in Berührung kommen könnte.
Kim zeigte auf den Eingang von Mercer Meats. »Ein salbungsvoller Mercer-Meats-Angestellter. Genauer gesagt ein gewisser Mr. Cartwright. Er ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Firma zuständig.«
»Und was wollen Sie von mir, wenn ich denn tatsächlich Kontrolleurin für das Landwirtschaftsministerium wäre?« fragte Marsha, während sie die hintere Tür ihres Wagens schloß und die vordere öffnete. Sie wollte diesen seltsamen Kerl so schnell wie möglich loswerden.
Kim zog den Zettel mit den Angaben der Etiketten aus seiner Kitteltasche und hielt ihn ihr auf Schulterhöhe hin. »Ich möchte, daß Sie herausfinden, woher das Fleisch stammt, das in diesen beiden Partien verarbeitet wurde.« Marsha starrte auf den Zettel. »Wozu, um Himmels willen, sollte ich das tun?«
»Meine Tochter ist schwer krank«, erwiderte Kim. »Ich glaube, daß sie sich durch den Verzehr von Fleisch aus einer dieser Partien mit einem äußerst gefährlichen Stamm von E. coli infiziert hat. Außerdem will ich nicht nur wissen, woher dieses Fleisch kommt - ich will auch wissen, wohin es geliefert wurde.«
»Woher wollen Sie denn wissen, daß das Fleisch aus einer dieser beiden Partien stammt?« fragte Marsha. »Ich weiß es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit«, gestand Kim. »Zumindest noch nicht.«
»Ach tatsächlich?« fragte Marsha von oben herab. »Ja, tatsächlich«, schoß Kim zurück. Ihr Tonfall brachte ihn auf die Palme.
»Tut mir leid«, sagte Marsha. »Diese Information kann ich Ihnen nicht beschaffen.«
»Warum nicht?« wollte Kim wissen.
»Ich darf derartige Informationen nicht preisgeben«, erwiderte Marsha. »Damit würde ich gegen die Vorschriften verstoßen.« Sie machte Anstalten, in ihr Auto zu steigen. Plötzlich hatte Kim wieder das Bild seiner todkranken Tochter vor Augen. Er packte Marsha grob am Arm und hinderte sie daran, sich hinters Steuer zu setzen.
»Vergessen Sie doch einmal die dämlichen Vorschriften, Sie verdammte Bürokratin!« fuhr er sie an. »Es ist wichtig! Ist es nicht Ihre Aufgabe, die Öffentlichkeit zu schützen? Jetzt hätten Sie endlich mal die Gelegenheit, genau das zu tun.«
Marsha blieb ruhig. Sie sah hinunter auf die Hand, die ihren Arm
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