Toxin
Ahnung.«
»Die gesamte Öffentlichkeit hat keine Ahnung davon«, fügte Marsha hinzu.
Vor ihnen tauchte der weiße Klotz des Mercer-Meats-Komplexes auf. Marsha fuhr auf den Parkplatz, auf dem jetzt nur noch wenige Wagen standen. Sie parkte auf demselben Platz wie am Vormittag. »Sind Sie bereit?« fragte sie.
»Meinen Sie wirklich, daß ich mitkommen soll?« fragte Kim zurück.
»Natürlich!« Marsha öffnete die Tür und stieg aus. Der Haupteingang war verschlossen. Marsha klopfte. Drinnen sahen sie einen Wächter, der es sich hinter dem runden Empfangstresen mit einer Zeitschrift gemütlich gemacht hatte. Er erhob sich und schlurfte zur Tür. Als er näher kam, sahen sie, daß er schon etwas älter war. Er hatte einen spärlichen Schnäuzer, seine Uniform schien ihm mehrere Nummern zu groß zu sein.
»Mercer Meats ist geschlossen«, rief er durch die Glasscheibe. Marsha hielt ihre Mercer-Meats-Kennkarte hoch. Der Wächter blinzelte kurz, dann entriegelte er das Schloß und öffnete die Tür. Marsha ging hinein und sagte kurz »danke«. Kim folgte ihr. Er spürte, daß der Wächter ihn argwöhnisch ins Visier nahm, aber der Mann sagte nichts. Er schloß lediglich die Tür wieder ab.
Kim mußte laufen, um Marsha einzuholen, die den Empfangstresen bereits hinter sich gelassen hatte und den Flur entlangstürmte.
»Hab’ ich’s Ihnen nicht gesagt?« fragte sie. »Es war kinderleicht.«
Der Nachtwächter durchquerte den Empfangsbereich und inspizierte den Flur. Er sah, wie Marsha und Kim in den Umkleideraum gingen, der in den Produktionsbereich führte. Dann drehte er sich um, ging zurück zu seinem Tresen und nahm den Hörer ab. Die Nummer, die er wählte, stand auf einem am Rand des Tresens klebenden Post-it-Zettel.
»Guten Abend, Mr. Cartwright«, meldete sich der Wächter, als am anderen Ende abgenommen wurde. »Diese Miss Baldwin vom Landwirtschaftsministerium, auf die ich ein Auge werfen sollte, ist gerade zusammen mit einem Mann hier reinmarschiert. «
»Trug ihr Begleiter einen langen, weißen Kittel, der wie ein Arztkittel aussieht?« fragte Mr. Cartwright. »Ja«, erwiderte der Wächter.
»Lassen Sie die beiden unterschreiben, bevor Sie sie rauslassen«, bat Mr. Cartwright. »Wir brauchen einen Beweis, daß sie da waren.«
»Verstanden, Sir«, entgegnete der Wächter. Cartwright legte gar nicht erst auf, sondern drückte gleich auf eine der Schnellwahltasten und wartete. Einen Augenblick später dröhnte die Stimme von Everett Sorenson durch die Leitung.
»Marsha Baldwin und der Arzt sind wieder in der Firma«, platzte Cartwright heraus.
»Auch das noch!« stöhnte Sorenson. »Das höre ich gar nicht gerne. Wie haben Sie es herausgefunden?«
»Ich habe den Nachtwächter angewiesen, mich sofort anzurufen, falls die beiden aufkreuzen sollten«, erwiderte Cartwright. »Als Vorsichtsmaßnahme sozusagen.«
»Gut gemacht«, stellte Sorenson fest. »Ich frage mich, was sie vorhaben.«
»Ich schätze, sie interessieren sich für unsere Lieferanten«, entgegnete Cartwright. »Danach hat er mich nämlich schon heute morgen gefragt.«
»Stellen Sie fest, ob Sie richtigliegen«, wies Sorenson seinen Protege an. »Fahren Sie sofort hin, und sehen Sie nach, was die beiden machen! Und dann rufen Sie mich zurück. Ich will mir durch diese Geschichte nicht den Abend ruinieren lassen.«
Cartwright legte auf. Er wollte sich genausowenig den Abend ruinieren lassen. Auf das Dinner bei Bobby Bo freute er sich schließlich schon seit einem Monat, und er hatte wenig Lust, noch einmal in die Firma zu fahren. Finster gelaunt zog er seinen Mantel an und ging in die Garage.
Kim stampfte mit den Füßen und rieb sich die Arme. Er verstand zwar nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund kamen ihm die zwei Grad Celsius eher vor wie minus fünf oder minus zehn Grad. Er hatte sich einen weißen Mercer-Meats-Kittel über seinen Krankenhauskittel gezogen, aber beide Kittel waren aus Baumwolle, und darunter trug er nur seine OP-Sachen. Die drei Schichten reichten bei weitem nicht aus, ihn vor der Kälte zu schützen. Außerdem stand er die meiste Zeit nur herum, und die weiße Kappe, die wie eine Duschhaube aussah, wärmte auch kein bißchen.
Marsha blätterte seit mehr als einer Viertelstunde die Kontrollbücher durch. Die einzelnen Daten, Partien und Sendungen zu verifizieren, dauerte länger, als sie gedacht hatte. Anfangs hatte Kim ihr über die Schulter gesehen, doch je mehr er fror, desto mehr ließ seine
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