Tränen aus Gold
der zu leben verstand.
Nikolaus war ihr entgegengekommen und hatte ihr wieder seine Kabine zur Verfügung gestellt. Wann immer sich Gelegenheit bot, sich an Dietrichs köstlichen Leckerbissen gütlich zu tun, tauschten sie höfliche Artigkeiten aus, machten Konversation und vermieden jede Erwähnung dessen, was hätte sein können. Nikolaus hatte nicht die Absicht, aufdringlich zu sein; da er sie jedoch so hoch über andere Frauen gestellt hatte, wünschte er sich einen Burgfrieden oder wenigstens eine Verständigung, damit für die Zukunft eine dauerhafte Freundschaft entstünde.
»Segel an Steuerbord achtern!« tönte es vom Ausguck aus luftiger Höhe, und als Elise aufblickte, sah sie den Mann in seinem Krähennest auf halber Höhe des Vormastes. Er wies auf einen Punkt hinter ihnen, wo am Horizont noch immer die Küste als schmaler Strich sichtbar war. Davor hob sich undeutlich ein heller Fleck ab, und Elise wußte sofort, was dieser Fleck bedeutete. Es waren die Segel eines anderen Schiffes.
Nikolaus entriss dem Rudergänger das Fernglas. Lange spähte er durch den verlängerten Zylinder, und als er ihn absetzte, zeigten sich auf seiner Stirn tiefe Furchen. Er gab nun laut und hastig Befehle, die der Steuermann mit einem Nicken zur Kenntnis nahm. Dann trat der Kapitän wieder an die Reling, um abermals durchs Fernglas zu blicken.
»Ein Engländer«, sagte er zu Elise über die Schulter. »Er kommt aus den Niederlanden.«
»Eines von Drakes Schiffen?« Fast fürchtete Elise sich, diese Frage zu stellen, da sie wußte, was eine Konfrontation mit Drake für Nikolaus bedeutete. Seinen eigenen Worten zufolge war er längst nicht so reich wie Hillert, so daß der Verlust von Schiff und Ladung für ihn einen empfindlichen Verlust dargestellt hätte.
»Dieser Teufel, der sich nie fassen läßt!« grollte Nikolaus. »Wer weiß, wo er im Moment steckt! Seit Elizabeth ihn wieder ausgeschickt hat, hat er Spanien ausgeplündert! Wie ein besessener Dämon jagt er über die Meere, von den baskischen Häfen im letzten Sommer zu den Kapverdischen Inseln und der Karibik in diesem Jahr. Santiago! Hispaniola! Cartagena! Alle haben unter den Breitseiten seiner Geschütze kapituliert. Er wird Philipp völlig ausplündern. Und alle jene, die mit Spanien Handel treiben! Es wäre eine bittere Ironie des Schicksals, ausgerechnet ihm zum Opfer zu fallen!«
»Gewiß würde er Euch freie Fahrt gewähren, wenn er sieht, daß Ihr einen Untertan der britischen Krone an Bord habt.«
»Drake ist zu gierig! Der hält sich nicht mit Fragen auf.«
Nikolaus ließ sie stehen und gab nun Befehl, mehr Segel zu setzen. Er wollte seinem Schiff jedes bißchen Geschwindigkeit abringen. Wieder ertönte ein Ruf vom Mastkorb her, beide drehten sie sich um und sahen nun ein Schiff steuerbord voraus. Da sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf das andere Schiff konzentriert hatte, war dieses schon nahe herangekommen. Während sie hinüberstarrten, stiegen Rauchwolken aus dem Bug und wurden vom Wind zerrissen. Eine Wasserfontäne sprühte auf, gottlob in einiger Entfernung, doch die Aufforderung war eindeutig. Beidrehen! Nikolaus blieb nichts anderes übrig, als Segel einzuholen und beizudrehen, da er über keine Geschütze verfügte, mit denen er sich gegen die zwei Gegner hätte behaupten können.
Wenig später lagen die englischen Galeonen mit ihren imponierenden hohen Mastbäumen neben der kleinen Kogge. Der größere der beiden Engländer ging längsseits, Enterhaken wurden über die Reling geworfen, um den Abstand zu verringern. Der Hansekapitän wartete mit angespannter Miene, bis eine Abordnung an Bord kam.
Der Kommandant des britischen Schiffes, ein hochgewachsener, gutaussehender Mann, der sich als Andrew Sinclair vorstellte, begrüßte Nikolaus fast freundlich, ohne seine finstere Miene zu beachten. »Verzeiht, daß ich Euch aufhalte, Captain«, sagte Sinclair, »aber da ich eben aus den Niederlanden komme, möchte ich wissen, ob Euer Schiff eines derjenigen ist, das die spanischen Truppen Parmas mit Nachschub versorgt. Falls dies zutrifft, dann bleibt mir leider keine andere Wahl, als Euer Schiff als Prise zu nehmen. Lord Leicester würde Euer Verhalten nicht billigen und könnte es mir verübeln, wenn ich Euch nicht wirksam diszipliniere.«
Nikolaus war für diese Art von Humor nicht in Stimmung. »Euch ist gewiß nicht entgangen, daß mein Schiff voll beladen ist. Obwohl Euer Verdacht unbegründet ist, wollt Ihr Euch die Ladung unter
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