Tränen aus Gold
er Elise am Arm und lief eilig die Stufen zum Wasser und zu der großen Barke, die sie erwartete, hinunter. Mit Elise in den Armen ließ er sich auf einem mit Kissen belegten Sitz am Bug nieder.
Gleich darauf hatten der Fährmann und sein Gehilfe abgelegt und brachten ihr Boot hinaus in die Flussmitte, wo das breite Dreiecksegel gesetzt wurde. Bald glitt die Barke flussaufwärts.
Maxim gab nun seinem Verlangen nach, das seit dem Betreten der königlichen Gemächer auf eine harte Geduldsprobe gestellt worden war. Daß sie dabei nicht allein waren, störte ihn nicht. Er wollte endlich seine Frau in die Arme nehmen und sie nach Herzenslust küssen. Nur mühsam wahrte er die Grenzen des Anstands, als er Elise auf seinen Schoß zog, so daß dem Gehilfen des Fährmanns fast die Augen aus dem Kopf fielen.
Elise wurde schwindlig unter seinem Kuß und seufzte: »Deine Begrüßung hat mein Herz zutiefst erschüttert, aber wie habe ich mich nach solchen Erschütterungen gesehnt.«
Sein Mund trank von dem ihren. »Ich bin von neuem zum Leben erwacht«, hauchte er. »Bist du nicht bei mir, dann bin ich gefühllos und wie gelähmt. Ich glaubte schon, mein Herz hätte aufgehört zu schlagen.«
»Könntest du meines jetzt fühlen, mein Geliebter, dann wüsstest du, wie rasend es schlägt.« Elise bekam seine Hand zu fassen, die nach ihrem Herzen tastete, und lächelte in seine glänzenden Augen. »Später, mein Geliebter«, flüsterte sie, »wenn wir allein sind.«
Maxims Blick schien sie zu verschlingen, als er sich langsam in die Kissen zurücklehnte, ohne Elise loszulassen. Mit spitzbübischem Lächeln nahm er ihr den Hut ab und legte ihn beiseite. »Edward kann Bradbury verlassen oder dort bleiben, wie es Euch beliebt, Madame. Ich möchte nur meine alten Räumlichkeiten wieder bewohnen.«
»Maxim, Edward liegt im Sterben. Er ist hier in London im Haus meines Vaters, um in der Nähe seiner Ärzte zu sein. Seine Tage sind gezählt, fürchte ich.«
Maxim runzelte die Stirn. »Als ich ihn zum letzten Mal sah, schien er wohlauf. Was ist passiert?«
»Ich schwöre dir, die Ehe mit Cassandra bedeutet für jeden Mann das Grab.« Behutsam erklärte ihm Elise die Vorgeschichte. »Vor langer Zeit ging unter dem Gesinde in meinem Vaterhaus das Gerücht um, Cassandra hätte meine Mutter und sodann ihren Mann Bardolf Radborne vergiftet. Als Kind begriff ich das nicht, und später tat ich es als Geschwätz ab. Jetzt bin ich überzeugt, daß die Gerüchte keine Erfindung waren. Außerdem glaube ich, daß Cassandra schon vor der Ehe mit Edward plante, ihn zu vergiften. Deswegen ließ sie ihn einen Ehevertrag unterschreiben, in dem festgelegt ist, daß sie nach seinem Tod seinen gesamten Besitz erbt. Da Edward selbst nicht richtig lesen kann, ließ er sich aus Vorsicht stets von Arabella vorlesen, was in den Dokumenten stand, die er zu unterschreiben hatte. Ich möchte bezweifeln, ob seine Tochter von diesem Schriftstück Kenntnis hat. Es ist unwahrscheinlich, daß Cassandra Edward diese Zugeständnisse abgelistet hat, während er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Er muß betrunken gewesen sein, andernfalls hätte er das Dokument von Arabella durchlesen lassen.«
»Der Erlass der Königin, der mir meinen gesamten Besitz zurückgibt, macht jeden Versuch Cassandras, sich meine Güter anzueignen, zunichte.«
»Cassandra kennt die Bedeutung gesetzlicher Dokumente nur zu gut«, bemerkte Elise bedrückt. »Mein Vater hat mir keine Garantien hinterlassen, zumindest keine, von denen man weiß, und seit seinem Verschwinden hat Cassandra ohne Unterlass versucht, seinen Besitz an sich zu bringen, indem sie behauptet, er sei schon tot. Sollte man seinen Leichnam finden, dann steht zu befürchten, daß sie ihr Ziel erreicht. Sie hatte schon immer eine gute Nase, wie man zu Reichtum kommt.«
»Ich will veranlassen, daß sie auf Befehl der Königin steckbrieflich gesucht wird.«
»Sie soll außer Landes gegangen sein. Aber ich bin nicht erleichtert, daß sie verschwunden ist, denn eines Tages wird sie wieder auftauchen, um uns Schaden zuzufügen.«
»Wenn die Radbornes es noch einmal versuchen sollten, dann wird man sie zur Verantwortung ziehen. Für den Fall, daß mir etwas zustößt, meine Geliebte, sollst du wissen, daß ich Walsingham bereits ein Schriftstück übergab, in dem ich dich zu meiner Erbin bestimmt habe.«
»An deinem Besitz liegt mir nichts«, beteuerte sie. »Ich möchte nur dich… und unser Kind.«
»Unser Kind?«
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