Tränen aus Gold
freigeschaufelt, wo es unbedingt nötig war.
Am vierten Tag begab sie sich in Vorahnung einer neuerlichen Ausflucht Maxims hinunter in die Halle. Sie hörte sich seine neuerliche Erklärung mit süß-mitfühlendem Lächeln an und antwortete dann: »Wie schade, daß Ihr diese Woche so wenig von Eurem Bett Gebrauch machen konntet. So wie Ihr den Strohsack meidet, möchte man meinen, Ihr habt eine Abneigung gegen das Bett entwickelt.«
»Gewiß, in letzter Zeit habe ich im Bett wenig Ruhe gefunden«, gab er ihr gedankenvoll recht.
»Ja, ja, das Eingesperrtsein kostet Nerven«, erwiderte sie. »Und dann dieses Wetter… sicher wird der Kapitän heute nicht wie beabsichtigt kommen.« Aus ihren Worten war kaum Enttäuschung herauszuhören.
»Im Gegenteil, Nikolaus wird kommen«, widersprach Maxim entschieden. Er ging zur Eingangstür und riß sie auf, um das Wetter zu begutachten. Die bleigrauen Wolken hingen tief, doch der Wind hatte sich abgeschwächt. Maxim schloß die Tür und kehrte zum Kamin zurück, um seine Hände ans Feuer zu halten. »Ihr könnt sicher sein, daß Nikolaus schon unterwegs ist.«
»Wieso seid Ihr so überzeugt von seiner Ankunft?« Elise war mehr als skeptisch, da die Wege verschneit waren und der Nordwind Kälte mit sich gebracht hatte. »Sicher wird er sich bei diesem Wetter nicht hinauswagen. Überdies könnte der Sturm jeden Moment wieder aufleben.«
Maxim trat an den Tisch und stellte den Fuß auf die Bank. Einen Ellbogen stützte er auf das abgewinkelte Knie und legte sein Kinn in die Hand. In seinen Augen funkelte es spitzbübisch. »Jede Wette, daß Nikolaus eintrifft, ehe es Mittag wird. Ich wette um eine Nacht in meinem Bett…«
Elise gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt. Sie hatte verstanden. »Ich beuge mich Eurem Urteil«, unterbrach sie ihn. »Und jetzt ist höchste Eile geboten, weil ich mich noch zurechtmachen muß.« Sie drehte sich geschmeidig auf dem Absatz herum und rief: »Fitch! Spence! Ich möchte schleunigst baden. Schafft heißes Wasser hinauf… und kaltes zum Aufheizen. Schnell!« Dann eilte sie nach oben.
Eilfertig schöpften die beiden aus dem über dem Herd hängenden Kessel Wasser, um es in das Gemach der Dame hinaufzuschleppen. Als Spence mit einem Joch über den Schultern und zwei Eimern kalten Wassers durch die Halle keuchte, umspielte ein boshaftes Lächeln die Lippen Maxims, und er wies Fitch an, noch einen Eimer voll vom Brunnen zu holen, eine Anordnung, die diesen in Erstaunen versetzte, da er wußte, daß sein Herr an diesem Morgen bereits sein Bad genommen hatte.
Nachdem sämtliche Vorbereitungen getroffen waren, wurde der Riegel im Gemach der Dame vorgeschoben. Die Diener registrierten erstaunt, daß Maxim den letzten vollgefüllten Eimer hochhob und damit verstohlen die Treppe hinaufschlich.
»Dieser gerissene Kerl«, murmelte Elise mißmutig vor sich hin, während sie tiefer in die Kupferwanne rutschte. »Er hält mich zum Narren, um mich dann im günstigsten Augenblick um so gemeiner hereinzulegen.«
Sie beugte sich vor und genoß das warme Wasser um ihren Körper. Sie rückte den Haarknoten zurecht und fing an, Nacken und Schultern mit einer duftenden Seife, die sie in Hamburg erstanden hatte, einzuseifen. Dann legte sie sich wieder zurück und ließ mit geschlossenen Augen Duft und Wärme auf sich einwirken.
Es war eine herrliche Erquickung, doch da…
Ein eiskalter Tropfen fiel auf ihre Brust, so daß sie überrascht nach Luft schnappte. Sie riß die Augen auf und sah vor sich den Boden eines Holzeimers, an dessen Rand ein neuer Tropfen hing. Erschrocken schnellte sie hoch, ohne Rücksicht darauf, daß hinter dem Eimer Maxims lächelndes Gesicht zum Vorschein kam.
Ihr war sofort klar, was er vorhatte. Sie schrie auf und hielt sich in Erwartung des eisigen Schwalls die Arme abwehrend über den Kopf. Sie wartete… und wartete…
Als sie zaghaft wieder die Augen öffnete, sah sie, daß er den Eimer gesenkt hatte und auf die Wasserfläche starrte. Das seifige Wasser war so durchsichtig, daß er alles sehen konnte, was er zu sehen wünschte.
Sie verschränkte die Arme und bedachte ihn mit einem Blick höchster Empörung. »Nun, was ist?« fuhr sie ihn an. »Seid Ihr gekommen, um zu gaffen oder um Euch zu rächen?«
Seine Zähne blitzten in einem spöttischen Lächeln auf. »Holde Elise, leider verblüht auch die süßeste Blume der Rache und nimmt einen bitteren Beigeschmack an. Eine so überwältigende Schönheit darf nicht leichtfertig
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