Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)

unbeweglich auf seinem Bett im Pavillon.
    Schon seit Stunden führte er
einen einsamen Kampf gegen sich selber. Doch dann hatte er sich entschlossen.
Bevor er es sich wieder anders überlegen konnte, schwang er seine Beine aus dem
Bett und stand hastig auf. Mit einem Blick auf seine gepackte Reisetasche
schmiss er energisch die Tür hinter sich zu.
    Mit lang ausholenden Bewegungen
legte er die wenigen Meter zur Rezeption zurück. Schwer atmend versuchte er die
Schmerzen, die die Risse in seinem Schutzwall hervorriefen, zu ignorieren und
begann noch schneller zu laufen. Nachdem er die Stufen zum Eingangsbereich
hochrannte, lag seine Hand schon auf der Türklinke.
    Gerade noch rechtzeitig fiel ihm
die Etikette ein. Sie hatte tatsächlich recht. Manchmal benahm er sich wirklich
wie ein Neandertaler. Merde. Hastig nahm die Hand wieder von der Klinke und
klopfte stattdessen an die Tür. Als er Malees Stimme vernahm, trat er ein und
war erstaunt, Milton in ihrem Büro zu sehen.
    »Setzen Sie sich doch. Ich freue
mich, dass Sie gekommen sind. Ich habe mich bei Milton und den anderen schon
bedankt und möchte auch Ihnen das Dankeschön der gesamten Inselbewohner
aussprechen.«
    Bewegt hörte er Malee zu und
schenkte ihr ein warmes Lächeln. Er wuchtete seinen imposanten Körper neben
Milton in den Sessel vor ihrem Schreibtisch und überreichte ihr einen
Zettel.
    »Malee, ich möchte Sie bitten,
diesen Flug für mich zu buchen und meine Rechnung vorzubereiten.«
    Mit einem überraschtem Ausdruck
nahm sie den Zettel und las seine Anweisung darauf.
    Delta Airways DL282 BKK Bangkok
Suvarnabhumi 23.05h – PHX Phoenix Sky Habor.
    Als sie auf das Abflugsdatum
blickte, zuckte sie zusammen und ihr Kopf schnellte in die Höhe.
    »Aber Sébastien. Warum wollen Sie
uns morgen früh schon verlassen? Bitte bleiben Sie doch. Wenigstens noch einen
Tag. Morgen Abend findet das Lichterfest am Strand statt und Sie sind alle
eingeladen.«
    »Malee hat recht«, mischte Milton
sich in das Gespräch ein. »Warum fliegst du nicht mit uns nach Hause? Michael
hat eben vom Bangkoker Flughafen angerufen. Sie nehmen den Nachtflug und werden
in zwei Stunden landen. Amy möchte unbedingt das Lichterfest miterleben. Auch
Jai und die anderen bleiben noch. Auch Calda.«
    Milton lachte verschmitzt. Doch
als er Sébastiens pulsierende Ader am Hals sah, ahnte er, wie es in seinem
Innersten aussah. Mitfühlend legte er dem Jüngeren die Hand auf die Schulter.
    »Sébastien, bleib. Es wird uns
allen guttun, nach diesen Strapazen etwas zur Ruhe zu kommen. Unser Heimflug
geht erst in drei Tagen und ich bin mir ziemlich sicher, dass Malee es schafft,
dich dort auch einzubuchen.«
    Das beflissene Nicken der
Hoteldirektorin bestätigte seine Aussage. Lange Zeit war Malee von Sébastiens
fluchendem Umgangston und seiner imposanten, autoritärer Gestalt eingeschüchtert
gewesen. Irritiert hatte sie die konstanten Machtspiele zwischen ihm und ihrer
Freundin Nahla beobachtet. Doch mittlerweile hatte der Mann mit dem Körper eines
Basketballspielers ihr Herz erreicht.
    Sie mochte ihn - irgendwie. Und
anscheinend nicht nur sie alleine, dachte sie amüsiert. Also zauberte Malee ihr
strahlendstes Lächeln auf ihr Gesicht und sprach mit Engelszungen auf ihn ein.
Manchmal musste man dem Glück von zwei gleichsturen und verbohrten Herzen eben
etwas nachhelfen, befand sie.
    »Die morgige Nacht haben alle
Inselbewohner liebevoll zusammen organisiert. Ganz speziell Ihnen zu Ehren. Das
ist ihre Form von Dankeschön sagen, dass Sie unsere Insel vor dem Fluch gerettet
haben. Das Loy Kraton gilt als das schönste Licht-und-Wasser-Fest Thailands.
Normalerweise findet es in in der ersten Vollmondnacht im November statt. Im
ganzen Land, an allen Flüssen, Klongs, Seen und Teichen lassen die Menschen des
Königreiches in dieser Nacht die Krathongs, ihre selbstgemachten
Miniaturschiffchen, ins Wasser gleiten. Damit schicken sie ihre Sorgen des
vergangenen Jahres auf die Reise und hoffen, dass ihre Zukunftswünsche sich
erfüllen. Gleichzeitig werden mit dieser Zeremonie die Wassergeister geehrt und
um Milde gebeten.«
    Malee schwieg einen Moment und
betrachtete Sébastiens Hände in seinem Schoss, die nervös mit dem vergoldeten
Buddhaanhänger seines Zimmerschlüssels spielten.
    »Sébastien«, fügte sie mit
sanfter Stimme hinzu. »Enttäuschen Sie diese Menschen nicht. Sie alle haben das
Fest speziell auf morgen Nacht vorverlegt,