Tränen der Lilie - Hüter der Gezeiten (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
und versuchte
gerade seine kleine, geballte Hand auf sein Ganzes in den Mund
zu stecken. Amy
lachte verzückt auf. Sie bürstete den zarten und flauschigen
Haarflaum und
begann dabei leise zu singen:
»Pu'va,
pu'va, pu'va,
Ho ho ya wu
Shu po pa
ve e.
No i
kwi o kian go
Pu'va, pu'va, pu'va .«
Unwillkürlich hatte sie sich an das alte und
beruhigende Wiegenlied
der Hopi erinnert. Jeden Abend, bevor ihre Mutter das Licht
löschte hatten sie
es zusammen gesungen.
Mahu hatte unterdessen die Nachgeburt geholt. Die
Plazenta war ein
heiliges Symbol. Normalerweise wurde sie gleich nach der Geburt
vom Vater an
einer geheimen Stelle, unter einem Baum vergraben. Da der Vater
nicht mehr am
Leben war würde Michael das hinterher machen müssen. Dann
schlang sie ein Leinentuch
mit warmer Heilerde vorsichtig und sanft über den gesamten
Unterleib. Patricia
staunte über diese Behandlung und Mahu erklärte es ihr.
»Die Wirkstoffe und Schlacken der warmen Erde werden
dafür sorgen,
dass sich deine gedehnte Bauchmuskulatur nach der anstrengenden
Geburt langsam
wieder entspannt. Bleibe einfach noch etwas liegen und genieße
es.
Sie begann es zu genießen und langsam fielen ihr nach
der ganzen
Anstrengung die Augen zu. Fast wäre sie eingeschlafen, aber dann
begann Mahu
ihren ganzen Körper mit duftenden Ölen einzureiben. Patricia
fühlte sich wie in
einem Traum aus Tausend und einer Nacht. Abschließend lag sie in
dem nun wieder
frisch bezogenen Bett und kuschelte sich entspannt in die
Kissen.
Noch niemals in ihren Leben hatte sie sich so wohl und
geborgen
gefühlt, wie in diesem Augenblick. Tränen der Dankbarkeit
schossen ihr in die
Augen.
»Nicht weinen mein Kind. Schau, da kommt deine Tochter
und ich glaube
sie hat mächtigen Hunger .« Zart
strich sie ihr die
Haare aus der Stirn und half ihr sich aufzurichten. Danach legte
Amy ihr
vorsichtig das kleine Bündel in die Arme. Mahu zeigte ihr wie
sie das Baby
richtig an die Brust anlegte. Ein rosiges Gesichtchen mit großen
blauen Augen
blickte sie vertrauensvoll an und Patricia streichelte ihr
versonnen über den
zarten Haarflaum.
»Ich habe ihr noch gar keinen Namen ausgesucht. Nachdem
Jason tot war
konnte ich einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen. Aber ich
weiß, dass sie
etwas Besonderes ist. Darum möchte ich, dass ihr einen Namen für
sie aussucht.
Ihr beide habt sie mit auf diese Welt gebracht. Hier in dieser
wunderbaren
Umgebung.«
Amy und Mahu schauten sich beide geehrt an und
gleichzeitig spürten
beide dieselbe Vision.
Amy nickte und Mahu sagte leise und andächtig: »Dann
sollten wir sie
Shanya nennen, das bedeutet in der Sprache der Ojibwa Indianer
„ich bin auf
meinem Weg“. Und dieses kleine Mädchen sieht so aus als wenn sie
alle Hürden
die sich ihr ihren Weg stellen werden, nehmen wird.
Ruhe dich jetzt aus, Patricia. Du kannst so lange hier
auf der Station
bleiben wie du möchtest .«
Verschlafen stellte Amy den Wecker aus. Sieben Uhr.
Gott sei Dank war heute ihr freier Tag und sie musste
weder im
Flagstaff Krankenhaus noch im Hope–Center arbeiten. Immer noch
müde von der
ereignisreichen Nacht, ging sie ins Badezimmer. Sie hatte sich
viel vorgenommen
für diesen Tag.
Frisch geduscht und nach zwei Tassen Kaffee setzte sie
sich
anschließend hinters Steuer und machte sich auf den Weg ins
Reservat. Sie fuhr
die kleine, staubige Dorfstraße entlang und parkte schließlich
in der kleinen
Auffahrt.
Das kleine Holzhaus hatte schon bessere Tage gesehen,
war aber solide
gebaut. Es dauerte lange bis sich die Haustür öffnete. Ein
missmutiges Gesicht
erschien. Amy begrüßte ihn fröhlich.
»Hallo John. Ich hoffe ich störe sie nicht. Aber ich
denke, ich habe
eine Idee wie sich ihre Lebenssituation verbessern kann. Darf
ich kurz
reinkommen ?«
Der alte Indianer schaute sie verdutzt an. Winkte sie
dann aber
schulterzuckend rein. So schnell wie es sein krankes und offenes
Bein zuließ,
humpelte er an ihr vorbei ins Wohnzimmer um ihr einen Platz
anzubieten.
Schließlich stellte er zwei Gläser mit heißem, süßem Tee auf den
Tisch und ließ
sich dann schwerfällig in den Sessel fallen. Leicht stöhnend
rieb er sein
schmerzendes Bein.
»Was verschafft mir die Ehre ihres Besuches, keine Lady ?« Amy sah ihn an.
»Ich möchte mich nicht in ihre
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