Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
mächtige Vision wie eben hatte sie noch nie zuvor erlebt. Mit
körperlicher Macht hatte sie die ganze Gewalt seiner Gefühle und
seine schon bald einsetzenden Schmerzen gefüllt. Die Angst, vor
dem was Michael jetzt erwartete, zerschnitt ihr das Herz und
nahm ihren Körper die Kraft zu atmen.
Sie sah den Kampf
in ihrer Vision aber wo sich das alles abspielte, das
konnte sie nicht erkennen. Verzweifelt setzte sie sich auf.
Bitte Michael…
sei stark. Du wirst es schaffen… ich weiß es, flüsterte
sie in die Dunkelheit ihres Schlafzimmers und blickte dabei
tränenüberströmt aus dem Fenster in die nachtschwarze Dunkelheit
hinaus. Angestrengt dachte sie nach. Und in ihren Überlegungen
hinein, erschien plötzlich Gladys Gesicht vor ihren inneren
Augen.
Amy! Nur du
kannst ihn jetzt noch retten. Denke nach… sie befinden sich am
Ort der Illusionen…
Die Vision
verschwand so schnell wie sie gekommen war und ließ Amy atemlos
zurück.
Wo zum Teufel
liegt der Ort der Illusionen, dachte sie und überlegte
fieberhaft - dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
****
Wie gehetzt lief
sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe runter und
schnappte sich ihre Autoschlüssel. Dann rannte sie nach draußen.
Kaum das sie im Wagen saß, drückte sie das Gaspedal bis zum
Anschlag durch. Fast hatte es den Anschein dass der Wagen, in
der noch immer flirrenden Hitze der Nacht, durch die Luft
schwebte. Zu dieser späten Stunde war kaum noch Verkehr auf der
Landstraße, was Amy ein klein wenig beruhigte.
Denn aufgrund
ihrer völlig überhöhten Geschwindigkeit überkam sie jetzt eine
leise Angst, die Kontrolle über den Wagen zu verlieren. Die
Landstraße war kaum beleuchtet und sie musste sich
konzentrieren. Als sie unerwartet die Scheinwerfer eines
entgegenkommenden Wagens blendeten, schrie sie jäh auf. Fluchend
lenkte sie den schlingenden Geländewagen wieder auf die Fahrbahn
zurück.
Langsam merkte
sie, wie ihr der Angstschweiß ausbrach, es nicht mehr
rechtzeitig zu schaffen.
Gladys erschien
wieder vor ihren Augen.
Kimimala, du
musst dich beeilen …
Mein Gott, das
mach ich ja schon, murmelte Amy. Sie drückte das Gaspedal erneut
durch und der Ford Expedition machte einen Satz und schoss nach
vorne. Wenige Minuten später, die ihr wie eine schleichende
Ewigkeit vorkamen, hatte sie ihr Ziel erreicht. Hart trat sie
auf die Bremse und der Wagen kam nur wenige Zentimeter vor einer
großen Palme zum stehen.
Amy stieß die
Fahrertür auf, sprang aus dem Wagen und stürmte los.
Das schwache
Mondlicht schimmerte nur ganz matt und war keine große Hilfe.
Doch jetzt ließ sie sich ganz von ihrer inneren Eingebung
leiten. Ihre Vision wurde jetzt immer ausdrucksstärker. Was sie
vorher nur in trüben Farben gesehen hatte, wuchs jetzt je näher
sie ihm kam, zu einem blendenden Farbenmeer.
Amy achtete nicht
auf die vorbeifliegenden Äste, die ihr das Gesicht und die Arme
zerkratzten und versuchte noch schneller durch das Geäst des
Waldes zu sprinten. Sie merkte wie ihr schneller Herzschlag
gegen ihre Rippen schlug und spürte das Rauschen ihres Blutes in
den eigenen Ohren. Amy lief immer weiter den steilen Pfad
entlang, der sie zum Ziel führte - und dann schlug sie der Länge
nach hin. Stöhnend rieb sie sich ihren Knöchel, der sich in
einer schlingenartigen Bodenwurzel verfangen hatte und fluchte
wie ein Bierkutscher. In der derselben Sekunde spürte sie, dass
Michael in ihrer Nähe war.
Sie konnte seinen
Herzschlag und seine Seele spüren. Ihr Gefühl, zusammen mit
Gladys Rat, hatte sie also doch nicht getäuscht. Der Ort der
Illusion war Ihambleiciyapi. Die spirituellen
Wassergrotten der Indianer. Der geheime Ort, am Ufer der
Wasserfälle, zu dem Michael sie einst entführt hatte.
Mühsam rappelte
sie sich auf lief mit weit ausholenden Schritten weiter. Jetzt
musste sie nicht mehr suchen. Sie musste nur dem hellen Licht
seiner Seele folgen. Das Geschrei der Kämpfenden drang immer
dichter an ihre Ohren. Abrupt hielt sie an und blieb im Schatten
der letzten Bäume vor der Lichtung stehen.
Gehetzt sah sie
sich um, aber sie konnte nur fliegende und ineinander verkeilte
Körper sehen, die mit bösartigem Knurren jeder für ihre eigene
Sache kämpften. Rastlos blickte sie über das Feld, bis ihre
suchenden Augen Michael entdeckt hatten.
Am Rand des
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