Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
ihre rituellen Waschungen und die sakralen Rituale
vollzogen und waren bereit zum Kampf.
Für einige, wenige
Minuten hatte der weise Rat Michaels Gedächtnis wieder erweckt
und Lanu damit Zeit gegeben, den Ort des Kampfes aus Michaels
Gedanken zu entnehmen. Das war ein gefährliches Wagnis. Wenn
dieser Augenblick zu lange dauerte, dann kam Lanu eventuell auch
an die Information, wo sich ihre heilige Quelle befand.
Tohu war
vorsichtig optimistisch. Denn in dieser kurzen Zeitspanne war es
Michael noch nicht einmal möglich gewesen, Amy als seine
Gefährtin wiederzuerkennen. Dementsprechend konnte Lanu auch
nichts mehr in seinen Gedanken gelesen haben.
Einzig Mahu war
beunruhigt. Sie stand etwas abseits in dem Saal, den die
Geisterkrieger nach ihren Waschungen betraten und in dem nun
auch die Frauen wieder Zutritt hatten.
Sie beschlich eine
unbestimmte Angst, denn sie wusste von der verflochtenen
Verbundenheit zwischen Michaels und Amys Seele. Nur Mahu ahnte,
dass diese Verbundenheit sehr viel stärker war, als der weise
Rat vermutete. Amy hatte schon oft zum Teil sehr kraftvolle
Visionen gehabt und wenn sie in der Lage war - und herausfand wo
der Kampf stattfand - dann würde sie nicht zögern, Michael zu
helfen.
Und noch etwas
anderes bereitete Mahu große Sorgen. Michaels Gedächtnis konnte
auch noch auf eine andere Weise wieder aus dem Tiefschlaf
erwachen. Nämlich dann, wenn er sich an seinem Tapuat, dem
heiligen Tattoo der Geisterkrieger verletzt werden würde. Dann
erwachten seine gesamten Erinnerungen wieder. Dann erfuhr Amy wo
er sich befand und würde nicht zögern, zu ihm zu eilen.
****
Amy war schon den
ganzen Tag unruhig hin und her gerannt. Wie ein Tiger im Käfig
schlich sie ruhelos von einem Zimmer in das andere. Heute Nacht
hatte sie konfuse Visionen empfangen, die sie nicht zu deuten
wusste.
Nebelhaft hatte
sie einen Siegelring, oder vielmehr mehrere gleichaussehende
Ringe in ihren Traum gesehen und wieder das blutrotes Eis. Am
frühen Morgen schließlich, hatte sie es nicht mehr ausgehalten
und versucht Milton anzurufen. Doch keiner war ans Telefon
gegangen. Das bestärkte sie in ihrer Vorahnung, dass der Kampf
am heutigen Tag stattfand.
Keiner hatte sie
eingeweiht.
Sie konnte nur
hilflos hier zu Hause warten und verrückt werden. Wahrscheinlich
bin ich das schon, dachte Amy frustriert und begab sich in die
Küche. Auf dem Holztisch sah sie einen riesigen Strauß
rosafarbener Tulpen liegen. Wahrscheinlich hatte Emily sie heute
Vormittag auf dem Wochenmarkt gekauft und dann auf dem Tisch
vergessen. Amy nahm den Strauß in die Hand und sah, dass die
Blüten schon anfingen schlapp zu werden.
Sie marschierte
zum Küchentresen, legte die Blumen ins Spülbecken und ließ
langsam Wasser dazu laufen. Dann suchte sie in der Schublade
nach einem geeigneten Messer.
Tief in Gedanken
versunken schnitt Amy die Stiele der Tulpen an und füllte die
Vase mit Wasser. Sie war gerade im Begriff sie ins Wohnzimmer zu
tragen, als ein stechender, tiefer Schmerz ihr Innerstes
erfasste und sich erbarmungslos in ihr Herz bohrte. Mit einem
heiseren Aufschrei ließ sie die Vase fallen und verschränkte
zitternd die Arme um ihren Unterleib. Emily, die im Wohnzimmer
saß, zuckte zusammen und schaute erschrocken von ihren Büchern
auf.
»Was ist passiert…
Amy…?«
Sie sprang auf und
lief auf sie zu, aber Amy schüttelte ihre Berührung ab und sah
sie wie in Trance an. Schmerzgebeugt bog sie ihren Körper
versuchte ein Stöhnen zu vermeiden. Sie hatte Michaels Gedanken
in einem so gewaltigen Umfang gespürt, dass ihr Körper jetzt
Schwierigkeiten hatte damit umzugehen. Amy presste die Hand vor
dem Mund, um nicht laut aufzuschreien. Fieberhaft überlegte sie,
wie sie es schaffen sollte die Treppen zu ihrem Zimmer zu
erreichen, ohne zusammenzubrechen. Sie musste hier weg und
allein sein - sofort.
»Ich… es tut mir
leid Emily. Ich werde es später aufräumen. Mir geht´s grad
nicht gut, aber du musst dir keine Sorgen machen. Lass mich nur
einen Augenblick in Ruhe, bitte«, flüsterte sie mit blassen
Lippen. Amy lief die Treppen hoch und in ihrem Zimmer sank sie
erschöpft aufs Bett. Sie griff nach dem Kopfkissen
neben sich, an dem sie noch immer Michaels Geruch wahrnahm und
presste es fest an ihrem zitternden Körper und dachte nach.
So eine starke und
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