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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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starrte nachsinnend vor sich hin. Wie unergründlich war doch diese Welt, die sich über Nacht so dramatisch verändert hatte.
    Er war gerade dabei, sich nach dem Bad wieder anzukleiden, als Niah hereinkam.
    »Minnie mit einer Nachricht kommen, John.«
    »Ich komme sofort. Kümmere dich um sie, Niah.« »Nicht bleiben. Nur Nachricht lassen. Ahmed sein im Ufercamp bei Minnies Leute.«
    Tyndall zog sich seine Arbeitskluft an und ging zum Camp seiner Arbeiter am Ufer. Es lag verlassen da. Nachdem er sich ein wenig umgesehen hatte, wanderte er am Mangrovensaum entlang in den Busch hinein. Von der höher gelegenen Veranda des Mannschaftsschuppens aus hatte er die Rauchwölkchen eines Lagerfeuers ausgemacht.
    Er fand das Lager in nur wenigen Minuten. Es war eine schäbige Ansammlung von Hütten, die notdürftig aus rostigem Wellblech, Jutesäcken und Segeltuch errichtet waren. Die Erde war von den nächtlichen sintflutartigen Regenfällen noch feucht, durch die Dächer tropfte es auf die Eingeborenen, die in den Hütten kauerten. Tyndall grüßte in ihrer Sprache und gesellte sich zu einer Gruppe älterer Männer, die unter einem Baum auf Holzklötzen saßen. Er bot ihnen Zigaretten an, die sie mit einem dankbaren Lächeln nahmen und anzündeten.
    In Begleitung eines mit einem Speer bewaffneten Aborigine betrat wenig später Ahmed das Lager. Er ließ sich bei der Gruppe unter dem Baum nieder und nahm schweigend die Zigarette, die Tyndall ihm anbot. Sein Ausdruck war angespannt und traurig.
    Nach ein paar Zigarettenzügen sagte er auf malaiisch zu Tyndall: »Tut mir leid, Tuan. Hab ihm zu großen Vorsprung gelassen, war zu langsam. Konnte in dem schlechten Licht nicht gut sehen, was vorging.«
    Tyndall legte ihm begütigend die Hand auf die Schulter. »Ich bin sicher, du hast dein Bestes getan, Ahmed. Sehr aufmerksam von dir, daß du Conrad folgen wolltest. Bin jedenfalls froh, daß du den Bastard erwischt hast. Das Problem ist jetzt nur, daß es auf Mord hinausläuft. Hat dich jemand gesehen?«
    »Nein. Glaube nicht. Jedenfalls nicht aus der Nähe.«
    Tyndall zog nachdenklich an seiner Zigarette. »Hast du irgend jemandem erzählt, was passiert ist?«
    »Nein. Aber diese Leute hier wissen immer etwas, wissen einfach immer etwas.«
    »Ja, aber sie werden nichts verraten … jedenfalls nicht den Gesetzeshütern.« Tyndall trat seine Zigarette aus und legte Ahmed den Arm um die Schulter. »Ich gehe jetzt zum Muschelschuppen. Du kommst in ein paar Minuten nach. Verhalte dich ganz normal. Äußere dich gar nicht zu der Geschichte. Wenn man dich fragt, sagst du, daß du die Nacht hier bei den Leuten verbracht hast, verstanden?«
    Ahmed nickte.
    Tyndall wechselte noch ein paar Worte mit den Männern unter dem Baum, gab ihnen die Hand und ging davon.
     
    Noch etwa eine Stunde verbrachten sie am Schuppen und bei den Booten und taten so, als wollten sie sich vergewissern, daß alles in Ordnung war. Dann gingen sie in die Stadt. Die Nachricht von dem Doppelmord hatte den Konflikt entschärft, und die verfeindeten Gruppen hatten sich wieder beruhigt. Die Geschäfte öffneten wieder, und an den Hotelbars drängten sich die Männer, um Neuigkeiten auszutauschen und Gerüchte zu hören. Tyndall wußte, daß er sich in den Bars sehen lassen mußte, in denen die Perlenunternehmer verkehrten. Außerdem wollte er ihre Version des Geschehens hören.
    Es wurde so gut wie gar nicht über den Kupanger gesprochen und noch weniger über seinen Mörder. Alles drehte sich nur um Conrad, und die Männer bestärkten sich gegenseitig mit immer neuen Drinks in ihrem Mitgefühl.
    Am späten Nachmittag torkelte Tyndall ziemlich betrunken in sein Büro und fiel in einen tiefen Schlaf.
     
    Sergeant O'Leary wußte, was er jetzt brauchte … einen kräftigen Schluck Brandy. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren nicht besonders erfreulich gewesen. Drei Tote, einer davon ein Weißer, und das war schlecht. Eine Menge Verletzte, hauptsächlich Asiaten, aber das kümmerte keinen, ein paar geringfügige Sachschäden und jede Menge verängstigte Weiße. Gott sei Dank hatte jemand den Kerl kaltgemacht, der Hennessy getötet hatte. Ein Ostinder, meinten die Japsen. Vermutlich ein Malaie. Was, wenn es zutraf, auch nicht viel nützen würde, denn die Stadt war voll von dem Gesocks. Und alle hatten natürlich unanfechtbare Alibis.
    O'Leary war ein irischer Abenteurer, den es nach einiger Zeit im Dienst der indischen Kolonialpolizei nach Australien verschlagen

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