Tränen des Mondes
im Flüsterton über das Geschehen ereiferte.
Der Richter nahm Tyndall am Arm. »Kapitän Tyndall, es ist keine leichte Aufgabe, aber wir halten es für das Beste, wenn Sie Mrs. Hennessy die traurige Nachricht überbringen. Wenn Sie aber lieber nicht …«
»Nein!« fiel Tyndall ihm ins Wort. »Ich werde es ihr sagen. Niemand anders.«
»Mrs. Hooten und die anderen Damen werden im Laufe des Vormittags ihre Kondolenzbesuche abstatten.«
Tyndall schüttelte den Kopf. »Ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn ich den Zeitpunkt für angemessen halte. Überlassen Sie das alles mir … fürs erste jedenfalls«, wiegelte Tyndall entschieden ab. Es lag aber noch etwas in seiner Stimme, das die anderen davon abhielt, Rat und Tat anzubieten. »Bitten Sie den Doktor, daß er ein Beruhigungsmittel schickt.«
Man bot Tyndall an, ihn in der Kutsche mitzunehmen, doch er zog es vor, zu Fuß zum Haus der Hennessys zu gehen. Auf seinem schweren Gang überlegte er fieberhaft, wie er Olivia das Unfaßbare beibringen sollte.
Er gelangte vor das kleine Gartentor und öffnete es behutsam. Auf der Veranda des Hauses sah er einen Schatten sitzen, der sofort aufsprang und ihm entgegentrat.
»Olivia?«
»Nein, is Minnie, Boss. Hab gewartet.«
Tyndall versuchte, das Gesicht der Frau zu ergründen. »Ihr wißt es schon?«
»Ja. Ich hole Mem.«
Tyndall wartete im Dunkeln und starrte auf den Gewitterhimmel, der immer wieder von Blitzen durchzuckt wurde.
Olivia kam mit einem Schal um die Schultern auf die Veranda. Sie schien gefaßt: »Wie schlimm ist es, John? Wo ist er?«
»Sehr schlimm, Olivia.«
»Ich will es wissen, John. Was ist mit Conrad?« Ihre Stimme zitterte.
»Er ist tot, Olivia. Er wurde auf der Straße niedergestochen. Es ging sehr schnell. Ich glaube nicht, daß er überhaupt etwas gemerkt hat … Ach, Olivia …« Er streckte seinen Arm nach ihr aus.
Mit einem hilflosen Aufschrei suchte Olivia Halt am Geländer, klammerte sich fest und verbarg das Gesicht in den Händen. Tyndall war neben ihr, als sie den Halt verlor und zu Boden sank. Auf der Verandatreppe sitzend, hielt er die von Schluchzen geschüttelte Frau in den Armen und wünschte, er könnte ihren unsagbaren Schmerz lindern.
Schließlich hob er sie auf und trug sie ins Haus in eines der Gästezimmer, wo er sie aufs Bett legte. Der besorgt im Hintergrund abwartenden Minnie trug er auf, einen Cognac zu bringen. Er setzte sich an Olivias Bett, und während sie ihren Cognac nippte, stellte er sich ihren Fragen, er beschönigte nichts. Und als Minnie mit dem Beruhigungsmittel hereinkam, nahm Olivia es wie befohlen ein.
Sie legte sich in die Kissen zurück und flüsterte: »Ich muß es Hamish irgendwie beibringen.«
»Morgen, Olivia.« Tyndall strich ihr das Haar aus der Stirn und nahm ihre Hand.
Das Mittel tat allmählich seine Wirkung, und Olivia sank in einen von Alpträumen geplagten Schlaf, ohne auch nur für einen Augenblick Tyndalls Hand loszulassen. Einige Male weinte sie laut im Schlaf. Um sie zu beruhigen, legte Tyndall sich an ihre Seite und zog sie in seine Arme. Er hielt sie fest und wiegte sie, murmelte tröstende Worte, die sie in ihrem betäubten Schockzustand kaum wahrnahm.
Der gefürchtete Gewittersturm brach nun mit voller Wucht los, tobte und wütete ums Haus, und Olivias angstvolles Schluchzen ging im heftigen Trommeln des Regens unter.
Am Morgen hatte sich der Sturm gelegt. Tyndall ließ die nun friedlich schlafende Olivia allein und gab Minnie Anweisung, sich um sie zu kümmern.
In der Stadt herrschte bereits reges Treiben, aber angesichts der Vorkommnisse der vergangenen Nacht schien alles irgendwie verändert. Als Tyndall zu Hause ankam, wurde er von einer tränenüberströmten Niah mit ihrem Kind Maya auf dem Arm empfangen.
Er schloß sie in die Arme und hielt sie eine Weile fest an sich gedrückt. Dann machte er sich los und streichelte die Wange des schlafenden Babys. »Ich war bei Olivia. Sie hat einen Schock erlitten.« Er fuhr sich durchs Haar. »Hast du Ahmed gesehen?«
Niah schüttelte den Kopf. »Tuan und Mem Metta kommen und erzählen, was geschehen. Ich niemand sehen.«
Tyndall stand eine Weile da und überlegte, dann schenkte er sich einen kräftigen Whisky ein. »Laß mir bitte ein Bad ein, Niah.«
»Du sehr müde. Du schlafen.«
»Später. Ich muß erst ein paar Dinge erledigen.«
Sie tauschten ein kurzes Lächeln. Niah kümmerte sich um das Badewasser, und Tyndall ging auf die Veranda. Er setzte sich und
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