Tränen des Mondes
ruderten heran, und Tyndall stieg zu ihnen ins Dinghi.
Sie zogen das Boot den Strand hinauf und folgten einem ausgetretenen Pfad, der durch die Bäume hindurchführte. Ahmed stieß Tyndall an und tippte sich an die Nase. Auch Tyndall konnte Kochgerüche ausmachen, und bald sahen sie ein Feuer leuchten und hörten die Geräusche einer kleinen Siedlung.
Lange, strohgedeckte Holzhütten standen neben Gebäuden aus Stein und Holz. Neben mehreren Feuerstellen war unter dem Schutz eines auf Pfählen ruhenden Dachs ein gemeinsamer Eßplatz eingerichtet. Mehrere Aboriginefrauen bereiteten an den Feuerstellen das Essen zu. Eine der Holzhütten hatte eine Holztür, deren Metallriegel mit einem Vorhängeschloß gesichert war. Einige der Eingeborenen schärften Werkzeuge und säuberten mehrere große Schildkrötenpanzer.
Als die kleine Gruppe in die Lichtung trat, richtete sich ein älterer Aborigine auf und starrte ihnen entgegen. Auf Tyndalls Gruß antwortete er mit »Tag, Boss.«
Die Frauen zogen sich in den Hintergrund zurück, als sich die Männer neugierig und freundlich um Tyndall versammelten.
Tyndall und Ahmed versuchten herauszubekommen, welcher Natur diese unerwartete Siedlung war, da wich die Menge auseinander, und ein kräftiger Mann mittleren Alters kam in zerlumpten, abgerissenen Hosen und einem Baumwollunterhemd auf sie zu. Obwohl er barfuß ging und so nachlässig gekleidet war, stellte er eine Autoritätsperson dar. Strahlend verkündete er mit dröhnender Stimme und starkem holländischem Akzent: »Pater Anders. Willkommen auf unserer Missionsstation.«
»Missionsstation? Das ist eine Missionsstation?« Tyndall versuchte, seine Ungläubigkeit zu verbergen. »So weit draußen?«
»Eine Leprastation. Die Leute, die Sie hier sehen, sind Verwandte und, äh, Helfer, die den Kranken beistehen«, erklärte Anders. »Die sind woanders, in einem abgegrenzten Bereich«, fügte er hinzu, als Ahmed und Tyndall sich umblickten.
»Aha. Bekommen Sie Hilfe? Und wie ist es mit Vorräten? Die Versorgungsschiffe mit Holz und Wasser kommen hier nicht vorbei, kann ich mir vorstellen.« Tyndall meinte die Schiffe, die die Perlenloggerflotte versorgten.
»Wir versorgen uns selbst«, antwortete der Holländer ausweichend. »Wir haben unsere eigenen Schiffe, hinter der Landspitze gibt es einen geschützten Hafen. Sie sind wohl über den Strand gekommen.«
Tyndall nickte. »Wir liegen hier über Nacht vor Anker und wären dankbar, wenn Sie uns mit frischem Wasser und vielleicht ein, zwei Kokosnüssen aushelfen könnten …«
Pater Anders lächelte und machte mit beiden Händen eine ausladende Bewegung. »Der Herr wünscht, daß wir teilen, was immer wir haben.«
»Dann kommen wir morgen früh wieder.« Tyndall schüttelte dem Holländer die Hand, und sie kehrten zum Strand zurück.
»Was hältst du davon, Ahmed? Ich glaube, unser holländischer Freund ist weder ein Priester noch sonst ganz sauber. Hab ihm keine Sekunde über den Weg getraut.«
»Warum die sperren die Hütten zu? Was haben die da drinnen?«
»Ich glaube, wir sollten uns ihren kleinen Hafen mal näher ansehen.«
Die drei bahnten sich einen Weg durch den Saum tropischen Grüns und kletterten über eine kleine Landzunge. Im Licht des aufgehenden Monds konnten sie die Einfahrt zu einer ruhigen Bucht sehen. Mehrere Logger und ein Zweimaster lagen dort vor Anker. Beiboote und Kanus waren am Strand hochgezogen, alle Schiffe sahen verlassen aus.
»Ich gehe nachschauen, ja, Tuan?« erbot sich Ahmed.
Tyndall zögerte, er und Yoshi würden Verdacht erregen, ein Malaie vielleicht nicht. Er nickte.
Ahmed schob ein kleines Boot ins Wasser und ruderte lautlos zu den Schiffen, die er genau betrachtete. Dann vertäute er zu ihrer Überraschung ein Seil an dem Schoner und kletterte an Bord. Sie sahen ihn an Deck kauern und eine Ladeluke öffnen.
So lautlos, wie er losgerudert war, kam er auch schon wieder ans Ufer zurück. Im Schutz der Bäume unterhielten sie sich.
»Der Frachtraum ist voll mit Muscheln, Schildpatt und Perlmutt«, berichtete Ahmed.
»Ich kann mir schon vorstellen, wo die die Muscheln herhaben«, knurrte Tyndall.
»Das ist Unterschlupf für Wilderer, keine Mission. Was machen wir, Tuan?«
»Wir machen uns klammheimlich davon und melden sie später den Behörden. Die Schiffe stammen eindeutig aus Niederländisch-Indien. In holländischem Besitz, würde ich sagen. Und die Eingeborenen sind wahrscheinlich hierher verschleppt worden und arbeiten als
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