Tränen des Mondes
prallen Wölbungen ihres weißen Busens. Die Seide umfloß schmeichelnd ihre Figur und endete in einem geschwungenen Saum oberhalb ihrer Knöchel. Amy schlüpfte mit ihren puderrosa bestrumpften Füßen in schwarze Schuhe mit Straßschnallen, streifte schwarze Handschuhe über und ergänzte ihre Aufmachung mit einem Fächer und einem hauchzarten schwarzen Chiffontuch, das ihre nackte Haut auf der Fahrt zum
Cable Palace
vor Insektenstichen schützen sollte.
Nach den Maßstäben, die in Broome galten, mochte das Haus vielleicht ein Palast sein. Das große Gebäude war auf hohen Pfählen errichtet, eine breite Freitreppe führte zu einer Veranda mit Säulengang hinauf, auf deren ganze Breite sich von oben bis unten verglaste Flügeltüren öffneten. Doch bei näherem Hinsehen erwies sich der Bau als dürftige Konstruktion von fast behelfsmäßigem Charakter, auch blätterte schon die Farbe ab. Weiches Licht schimmerte durch teure Vorhänge, eine Seltenheit in einer Stadt, in der es zum Schutz der Privatsphäre lediglich Fensterläden und Lattengitter gab. Das Haus lag abgeschottet von der Außenwelt hinter einer hohen Sträucherhecke, Palmen, Roter Jasmin, Bananenbäume und wuchernde Bougainvilen schirmten es zusätzlich vor neugierigen Blicken ab. Amy fand es seltsam, daß ein Haus, das sich den Anstrich imposanter Pracht geben wollte, in einer so einsamen Gegend erbaut war.
Gunther wartete auf der Veranda und kam herunter, um ihr aus dem Sulky zu helfen.
Amys anfängliche Bedenken zerstreuten sich rasch, als ihr klar wurde, daß alle der Anwesenden eine schillernde Vergangenheit besaßen und ihre momentane Tätigkeit nur höchst vage umschrieben. Undurchsichtige Erklärungen über den Grund ihres Aufenthalts in Broome, die ihnen glatt über die Lippen kamen, erhöhten den Reiz des Geheimnisvollen. Ein Perlenkäufer aus Wien ließ einfließen, er kaufe auch Gold und wertvolle Steine für ›Privatkunden‹, einem japanischen Geschäftsmann wich eine blutjunge, sehr hübsche Japanerin im Kimono, die kein Englisch sprach, aber dafür unablässig kicherte, nicht von der Seite. Unter den Gästen befanden sich noch mehrere andere Geschäftsleute und ein feingliedriger Malaie, der auffallend viel Schmuck trug. Die wenigen Europäerinnen waren im Vergleich zu Amy, die wie eine Varietékönigin bei einem Bühnenauftritt erstrahlte, eher schlicht gekleidet. Obwohl diese Damen selbst keineswegs exklusiv oder vornehm wirkten, beäugten sie Amy mit verächtlichem Widerwillen. Von den Männern jedoch erntete sie Blicke unverhohlener Bewunderung.
»Wem gehört dieses Haus?« fragte Amy leise, nachdem sie schon etliche Gläser geleert hatte.
»Antoine Dollinger, bekannt als Kapitän Dolly. Sich selbst bezeichnet er als Händler. Er kauft und verkauft … so gut wie alles. Sehr nützlich, diesen Mann zu kennen.« Gunther zwinkerte ihr zu.
»Sie kennen ihn gut?«
»Gut genug. Ich habe schon mehrere Geschäfte mit ihm gemacht. Ich hoffe, in Kürze eine Sache unter Dach und Fach zu bringen, die mir ein hübsches Sümmchen einbringen wird.« Das Lächeln war nicht von Gunthers Gesicht gewichen.
»Ich vermute, Sie werden mir keine Hinweise geben, welcher Natur diese … große Sache ist?«
»Seien Sie nicht so neugierig. Warum interessieren Sie sich dafür? Ladies sollen nur hübsch aussehen und keine Fragen über die Geschäfte der Männer stellen.«
»Manche von uns sind hübsch und gleichzeitig klug«, gab sie kokett zurück.
Er musterte sie einen Moment. »Ja, aber das sind seltene Ausnahmen.«
»Vielleicht bin ich ja auch auf der Suche nach Gelegenheiten, Geschäfte zu machen. Jedenfalls freue ich mich schon auf einen Plausch mit Kapitän Dolly.«
»Wenn Sie eine clevere Idee haben, dann sprechen Sie als erstes mit mir. Ich werde mich Ihrer Interessen gern annehmen.«
»Tatsächlich? Gilt das für geschäftliche oder persönliche Interessen?«
»Das liegt ganz bei Ihnen, meine Liebe. Ich bin immer für eine Überraschung gut. Mit mir gemeinsame Sache zu machen ist nicht das Schlechteste. Die Welt ist kalt und hart, nur die Starken – und die Schlauen – überleben.«
»Ich weiß, das können Sie mir glauben. Aber ich habe mich ganz gut durchgeschlagen. Bis jetzt jedenfalls. Wie gesagt, ich halte ebenfalls nach Geschäftsmöglichkeiten Ausschau. Ich habe nicht vor, ewig in Broome zu versauern.«
»Und Kapitän Tyndall? Was für eine Rolle spielt der in Ihren Plänen?«
»Der sorgt schon für sich
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