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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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geben. »Hast du noch niemandem von deiner Herkunft erzählt?«
    »Nein. Meine Eltern haben die Sache nie erwähnt. Kein einziges Mal. Die Nonnen in der Schule haben auch nie darüber geredet. Es war, als gäbe es meine schwarze Seite überhaupt nicht. Zum Glück habe ich mich irgendwann in die Umstände gefügt. Ich sah ja zur Genüge, wie Aboriginekinder behandelt wurden, und bekam Angst davor, von meiner Herkunft zu erzählen. Ich weiß nicht. Das ist alles so verwirrend. Ich habe versucht, diese Dinge zu verdrängen, aber meine Erinnerungen lassen sich nicht abschütteln.«
    Olivia sah sie forschend an und entdeckte mögliche Spuren ihrer schwarzen Herkunft in ihren schmelzenden braunen Augen und dem Olivton ihrer Haut. »Was für Erinnerungen?«
    »Singen. Ich höre, wie gesungen wird, aber nicht auf englisch. Singen und Lagerfeuer.« Sie hielt inne, schien wie entrückt.
    »Weiter«, flüsterte Olivia. »Was ist sonst noch da?«
    »Ich kann mich an einen besonderen Abend erinnern, als ich ganz im Mittelpunkt stand. Mit meiner Mutter. Aber ich kann mich nicht mehr richtig an ihr Aussehen entsinnen.« Marias Lippen zitterten.
    Olivia wartete und drückte sanft Marias Hände.
    Maria erzählte weiter. »Die Sterne funkelten über uns. Es war kein Fest … eine Zeremonie, ja, es war eine Zeremonie. Und ich habe etwas Besonderes bekommen, eine Art Geschenk, glaube ich.« Maria löste ihre Hände aus Olivias Umklammerung und tastete nach einer fein geflochtenen Schnur um ihren Hals. »Ich trage es nur, wenn ich in die Kirche gehe«, erklärte sie. »Irgendwie besteht da ein Zusammenhang, zwischen der Kirche und den Erinnerungen. Ich lege mir die Kette nur zur Messe um.« Sie zog den Anhänger unter der Bluse hervor und hielt ihn Olivia hin.
    Olivia hatte das Gefühl, sie würde gleich ohnmächtig. Das Blut wich aus ihrem Gesicht, sie schwankte leicht und atmete tief.
    »Was ist denn?« rief Maria. »Olivia, was ist denn?«
    »Der Anhänger …«, preßte Olivia flüsternd hervor. »Ich kann es nicht glauben … Ich habe ihn schon gesehen, schon oft. Das heißt, diese Form.« Sie musterte Maria eingehender als je zuvor, suchte nach einem Hinweis, der bestätigen könnte, was ihr als fast unmöglicher Gedanke durch den Kopf schoß. »Das ist der gleiche Anhänger wie der von Niah.«
    Ihre Blicke begegneten sich. »Niah«, wiederholte Maria leise. »Niah. Dieser Name ist mir vertraut. Eine meiner Erinnerungen. Wer war das?«
    Olivia schöpfte tief Atem, sie war den Tränen nahe. »Deine Mutter, glaube ich. Ja, deine Mutter, eine Aborigine.«
    Maria ließ den Anhänger fallen, und die beiden Frauen streckten einander die Hände entgegen, um sich gegenseitig zu stützen. »Meine Mutter.« Maria brachte dieses Wort kaum über die Lippen. »Wie können wir sicher sein? Ich kann es nicht fassen! Wo war das alles? Wann?«
    »Auch ich habe Mühe, es zu glauben. Die Geschichte liegt viele Jahre zurück, damals warst du ein Baby in Broome. Falls wir meinen Verdacht beweisen können. Aber alles paßt zusammen, deine Erinnerungen, dein Alter, deine Schönheit, vor allem aber dein Anhänger. Niah hat uns erzählt, daß seine Form eine besondere Bedeutung hätte, er sei ein Familientotem.«
    »Uns?« hakte Maria ein.
    Wieder seufzte Olivia tief auf, doch diesmal mußte sie ihr Taschentuch hervorholen und sich die Augen abtupfen. »Wir, damit meine ich mich und deinen Vater, wenn du wirklich Maya bist«, sagte sie schließlich. »Deinen Vater, John Tyndall. Er war ein Freund von uns, als wir noch in Broome wohnten. Als ich dort mit meinem ersten Mann lebte.«
    »Wer war John Tyndall?«
    »Er lebt noch. Er hat ein Perlenunternehmen in Broome. Ich bin sogar seine Teilhaberin. Mein Mann war sein Partner, die beiden haben das Geschäft vor vielen Jahren zusammen aufgebaut.«
    »Ist er ein Weißer?«
    »Ja. Er und Niah …« Olivia konnte nicht weitersprechen, es tat zu weh. »Maria, wir müssen uns erst vergewissern, bevor wir voreilige Schlüsse ziehen.«
    Maria schloß die Augen. Zuviel Neues stürmte auf sie ein, das sie nicht alles verarbeiten konnte. Sie mußte sich wenigstens ein paar Sekunden vor der Welt da draußen abschotten, bis die tausend Gedanken, die ihr durch den Kopf wirbelten, zur Ruhe kämen und sie wieder vernünftig denken könnte.
    »Wie können wir die Wahrheit herausfinden?« fragte sie, die Augen immer noch geschlossen.
    »Wir müssen nach Albany zu deinen weißen Eltern fahren. Im Augenblick sehe ich keine

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