Tränen des Mondes
riesig ich mich freue, euch beide zu sehen.«
»Wie war die Fahrt? Habt ihr Perlen gefunden?«
»Alles zu seiner Zeit.« Tyndall zwinkerte Olivia zu. »Und was gibt's Neues bei dir, meine Schöne? Wie geht's unserer kleinen unbezähmbaren Enkeltochter?«
»Die macht einen ganz schönen Wirbel in der Schule. Die Schwestern meinen, sie hätten noch nie ein so wildes Kind gehabt.«
Maya zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich komme einfach nicht gegen sie an. Sie hat nichts als Unsinn im Kopf.«
»Wir müssen sie mit der Drohung erpressen, daß sie bei der Hochzeit kein Blumenmädchen sein darf«, setzte Olivia mit einem zärtlichen Lächeln hinzu.
»Unsere Hochzeit? Die Hochzeit? Endlich?« Tyndall faßte sich an die Stirn. »Ich kann einfach nicht länger warten!«
»Du mußt warten. Und jetzt erzähl uns doch, John: Wie war die Fahrt?«
Tyndall trat zwischen die beiden und hakte sie unter. Zu dritt gingen sie beinahe tanzend am Kai entlang. »Bestens! Wir sind auf prachtvolle alte Muschelgründe gestoßen. Und soweit ich es beurteilen kann, wird Toby einiges zu tun bekommen und Monsieur Barat wird sehr erfreut sein.«
Die Nachkriegsjahre erfüllten in jeder Hinsicht alle Erwartungen, sie waren eine Zeit des Wohlstands, des Fortschritts und der ausgelassenen Lebensfreude. Das Leben war von prickelnder Intensität, und alle ließen sich anstecken. Nach den Krisenjahren des Kriegs erlebte die Wirtschaft wieder einen Aufschwung, mit dem technischen Fortschritt hielten auf den Schiffen die Motoren und in den Städten die Autos Einzug, die Post für das Hinterland wurde jetzt sogar mit dem Laster zugestellt, wenn man auch von allen guten Geistern verlassen sein mußte, um über Land nach Norden oder Süden zu fahren. Schneller kam man mit den Bristols voran, den Pionierflugzeugen des Luftverkehrs, deren Flugplan allerdings unberechenbar war. In dieser lebenssprühenden Zeit fühlte sich Olivia wieder wie ein junges Mädchen, vor allem in ihrer Freude über Tyndalls Rückkehr nach der letzten Fahrt der Saison. Unterstützt von der begeisterten Maya, stürzte sie sich voller Eifer in die Hochzeitsvorbereitungen.
Eines Morgens, als sie gerade auf der Veranda über den Einladungen brütete, meldete Stan, ein ›Kerl von Alf‹ sei an der Hintertür erschienen. Der ›Kerl‹ war ein junger Schwarzer aus der Mission von Beagle Bay, der mit einem der Missionsbrüder zum Einkaufen von Vorräten in die Stadt gekommen war. »Ich Tommy, Mem. Alf mir gesagt, ich Ihnen soll bringen Nachricht.«
»Danke, Tommy«, erwiderte Olivia.
»Alf sagt, er Grab gefunden von Niah. Sagt, Sie wissen schon.«
Olivia war sprachlos. Sie preßte sich die Hand auf die Lippen, um sich wieder zu fassen. »Tommy, kannst du mir mehr darüber erzählen? Woher weiß Alf, daß es Niahs Grab ist?«
»Ich und Alf mähen Gras in alte Friedhof. Er sieht Muschel auf Grabstein und fragt Bruder. Der schaut nach in Buch.« Der junge Mann verlieh seinen Worten mit einem kräftigen Nicken Nachdruck. »Alf sicher. Sagt, Sie sollen allen erzählen.«
»Natürlich werde ich das. Ich habe verstanden. Bitte richte Alf aus, daß ich ihm herzlich danke. Braucht er irgendetwas da oben, Tommy?«
»Nein. Ihm geht gut, Mem. Ist alte Mann.«
Als Tyndall und Maya nach einem in den Muschelschuppen verbrachten Tag lachend und blendender Laune nach Hause kamen, teilte ihnen Olivia die Neuigkeit gleich mit.
Tyndall faßte nach Mayas Hand. »Ich wollte immer wissen … was passiert ist …«
»Ich muß zu ihr«, flüsterte Maya und sah ihren Vater an.
»Natürlich. Wir müssen beide zu ihr. Wir fahren zusammen. Das Wetter ist gut, wir segeln rauf zur Beagle Bay. Olivia …«
»Selbstverständlich müßt ihr beide so schnell wie möglich hin. Nur ihr beide«, drängte Olivia.
Obwohl sie es nicht aussprachen, hatten sowohl Tyndall als auch Olivia das Gefühl, daß sich der Kreis nun schloß, daß die losen Enden verknüpft werden konnten, bevor sie sich für immer aneinander banden.
Tyndall und Maya ruderten zu dem felsigen Ufer und gingen auf einem Sandpfad durch den Busch zur Missionsstation. Alf saß auf einem alten Stuhl auf der Veranda einer kleinen Hütte. Er begrüßte sie mit einem fröhlichen Winken und stand steif auf.
»Hab schon gedacht, Sie kommen jeden Tag. Schön, Sie zu sehen, Boss. Hallo, Miss Maya.«
Maya umarmte ihn. »Wie geht's dir hier oben, Alf?«
»Gut. Wirklich gut. Viel zu tun, und in der Speisehütte da drüben ich kriege gutes
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