Tränen des Mondes
beugte sich zu Olivia. »Ich habe das Gefühl, mein sonst so zurückhaltender und vernünftiger Mann wird heute Abend ganz schön über die Stränge schlagen.«
»Die meisten Perlenunternehmer sind schon reichlich angetrunken«, seufzte Olivia.
»Morgen wird es eine Menge Brummschädel geben. Aber schließlich haben wir etwas zu feiern, nicht wahr?« Mabel hob ihr Limonadeglas und stieß mit Olivia und Maya an. »Auf dich und John. Ich bin so glücklich, daß sich mein innigster Wunsch erfüllt hat.«
»Ich danke dir, Mabel – du bist eine so liebe, aufrichtige Freundin.«
»Auf einen neuen Anfang«, fügte Maya hinzu. »Für uns alle.«
Wie Olivia und Mabel vorausgesehen hatten, entgleiste der Abend in eine wüste Sauferei, bei der die haarsträubendsten Geschichten erzählt wurden, sobald man Tyndall einmal in die Logger-Bar geschleift hatte. Dort begann man sich gegenseitig mit Wetten aufzustacheln, und schließlich wurde gewettet, wer es wohl schaffen würde, auf dem Tresen stehend nach dem Ventilator zu treten. Der hochgewachsene Tyndall gewann dank seiner langen Beine, wenn auch auf Kosten eines Sturzes in mehrere Stühle hinein, die dabei zu Kleinholz zersplitterten.
Die Frauen hatten sich von den Festivitäten zurückgezogen, sobald der Vorschlag gefallen war, einen ›Schlaftrunk in der Logger-Bar‹ zu nehmen. Maya hatte die Aufmerksamkeit mehrerer Perlenunternehmer erregt, der Fischereiinspektor hatte sie zweimal zum Tanz aufgefordert.
»So solltest du deine Hochzeitsnacht eigentlich nicht verbringen, Olivia«, sagte Mabel auf dem Heimweg. »Ich dachte, ihr hättet die beste Suite im Conti reserviert.«
»Haben wir auch, und ich hoffe, daß jemand John dort abladen wird. Wenn sie erst mal anfangen zu singen und von einem Drink im
Star
und im
Roebuck
zu schwärmen …«
»Und im
Governor Broome
…«
»Und so weiter … da dachte ich mir, ich schlafe doch lieber in meinem eigenen Bett. John und ich haben noch den Rest unseres Lebens vor uns.«
»Bist du ihm nicht böse?«, fragte Maya.
»Wie könnte ich ihm böse sein! Er ist so glücklich, und manchmal benimmt er sich einfach wie ein dummer kleiner Junge. Lassen wir sie doch! Er wird mich sicher dafür entschädigen.«
Mabel verabschiedete sich, und Maya und Olivia zogen sich für die Nacht um.
Maya lief noch einmal leise den Gang entlang und klopfte an Olivias Tür. »Gute Nacht, und träum was Schönes, Olivia.«
»Maya, komm doch noch kurz herein.« Olivia war im Nachthemd und bürstete sich die langen Haare, um den Hals trug sie noch immer die Perlenkette. Sie legte die Bürste beiseite und zog sich die Kette über den Kopf. »Maya, eines Tages werden diese Perlen dir gehören. Und ich baue darauf, daß du sie an Georgiana weitergeben wirst.«
»Ach, Olivia … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Sie sind so schön!«
Beide ließen ihre Finger über die vollkommenen Kugeln gleiten, die in der Farbe des Mondlichts schimmerten.
»Du und ich, wir wissen vielleicht besser als andere Frauen, welchen Preis die Männer dafür bezahlen. Er läßt sich nicht in Geld ermessen.«
»Es ist, als besäßen sie einen Zauber«, sagte Maya leise.
»Männer haben immer nach wertvollen Dingen gesucht, nach einem Schatz, aber insgeheim glaube ich, daß es das Abenteuer der Suche ist, das sie eigentlich lockt. Ich glaube oft, daß in den Perlen die Seele der Männer eingefangen ist. Schau, wie sie auf der Haut zum Leben erwachen. Schließ sie nicht in einer Schachtel weg, sondern trag sie.«
»Das werde ich tun.«
Sie umarmten sich, und Maya ging in ihr Zimmer.
Und während Tyndall und seine Kumpel im Garten des Conti mit Champagnerflaschen und Tennisbällen zu kegeln begannen, schliefen seine Tochter und seine Frau friedlich ein.
Die nächsten Jahre behielt Olivia immer als Jahre des Glücks in Erinnerung. Sie und Tyndall waren überglücklich und genossen jeden gemeinsam verbrachten Augenblick, ob sie nun geschäftliche Fragen klärten oder einfach von ihrer Veranda aus den Sonnenuntergang betrachteten. Tyndall brachte Olivia zum Lachen, die Gesellschaft des anderen verlor nichts von ihrer anregenden Frische, sie liebten sich weiter so leidenschaftlich wie je. Gelegentlich trug Tyndall eine willige Olivia aus ihrem Bett nach draußen, und sie liebten sich unter den Sternen oder auf einem Boot, das sie zu einem entlegenen Winkel der Bucht steuerten. Etwas weiter die Küste hinunter, südlich von Broome, bauten sie sich eine
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