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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Dann fingen sie einen kleinen Waran. Einmal schlugen sie auf einen Baum ein, um seine Samenhülsen herunterzuschütteln, die sie mit einer kleinen hölzernen Schaufel einsammelten. Ihre Stöcke schienen ihnen unentbehrlich zu sein. Sie waren kurz und schwer, das eine Ende war spitz und im Feuer gehärtet. Keine Frau ging ohne diesen praktischen und vielseitigen Gegenstand. Die Schleifsteine ließen sie im Lager. Jede Frau trug um die Taille einen Gürtel aus geflochtenem Haar, in dem verschiedene kleine Werkzeuge steckten. So hatten sie die Hände frei, um entweder ein Kind zu tragen oder zu jagen. Es beeindruckte Olivia, wie geschickt die Frauen kleine Tiere fingen.
    Später am Tag kamen auch mehrere Männer aus dem Busch an den Strand. Die Frauen winkten ihnen zu, sie sollten in Olivias Lager kommen. Die Eingeborenen zögerten und berieten sich lange unter vielem Gekicher. Endlich kamen sie geschlossen näher. Der Anblick ihrer fast nackten Körper war Olivia peinlich. Sie kam aber nicht umhin zu bemerken, wie schön sie alle gewachsen waren, schlank und muskulös. Die drei Frauen zeigten auf das schlafende Baby und schienen zu erzählen, was sie für Olivia gekocht hatten. Eine ausgiebige Diskussion folgte, bei der die Männer mit Nachdruck auf das Meer zeigten. Erst jetzt bemerkte Olivia direkt am Wasser eine lose aufgeschichtete Steinmauer, die zwischen zwei Felsen quer über eine kleine Einmündung lief. Bei Flut lag die Mauer vollkommen unter Wasser, doch wenn sich das Meer bei Ebbe durch die Mauerspalten zurückzog, blieben Fische hinter der Mauer zurück. Die Mauer war eine geniale Fischfalle. Im Moment herrschte Ebbe. Die Männer und Frauen gingen zur Mauer und sammelten den Fang ein. Fische, auch Muscheln und andere Schalentiere stellten eine willkommene Bereicherung des Speiseplans dar.
    Um das Lager herum zündeten die Eingeborenen kleine Räucherfeuer an, um die Insekten fernzuhalten. In einem Ring von Steinen loderte ein großes Feuer, das Kochfeuer. Man ließ es herunterbrennen, fegte die Überreste zur Seite und vergrub den Fang im heißen Sand. Dann wurden die heiße Asche und die Glut wieder auf die Stelle gehäuft und die Fische in diesem ›Ofen‹ gegart. Olivia sah dem Treiben aus einiger Entfernung zu. Sie bewunderte das Überlebensgeschick dieser Menschen. Das würde Conrad alles sehr interessieren. Conrad! Mit einem Schlag wurde ihr klar, daß sie seit Stunden nicht mehr an ihn gedacht hatte.
    Olivia saß in ihrem Lager an ihrem eigenen kleinen Feuer. Sie hielt sich zurück, denn sie hatte beobachtet, daß es bei den Eingeborenen üblich war, von Zeit zu Zeit einfach nur dazusitzen und zuzusehen. Folglich hielt sie sich an diese Etikette. Nach einiger Zeit kam das kleine Mädchen herüber und gab ihr schüchtern zu verstehen, sie möge zu den anderen kommen.
    Die Sonne versank schon im Meer, und die Männer hatten ihre Mahlzeit bereits beendet. Sie setzten sich an die Seite und sahen Olivia ungerührt dabei zu, wie sie ihre Meeresfrüchte hungrig verschlang. Wie konnte sie diesen Leuten ihre Unterstützung jemals wieder gutmachen? Sie konnte nur hoffen, daß sie solange blieben, bis Conrad wiederkam. Sie zweifelte nicht mehr daran, daß er zurückkommen würde. Also saß sie einfach da, das Baby auf dem Schoß, und hörte den Männern und Frauen bei ihrer Unterhaltung zu. Olivia vermutete, daß sie zu einem größeren Stamm gehörten, denn sie sah, wie sie einen Teil des Fangs zur Seite legten, um ihn mitzunehmen.
    Olivia schenkte allen ein dankbares Lächeln und bedeutete ihnen, daß ihr das Essen geschmeckt hatte. Die Leute nickten befriedigt. Sie hatten offenbar größtes Verständnis für die weiße Frau, die weder körperlich noch seelisch in der Verfassung war, es mit der Wildnis aufzunehmen. Zum ersten Mal kam Olivia der Gedanke, daß diese Leute eigentlich ihre Gastgeber waren. War es nicht so, daß sie, Olivia, sich auf fremdem Grund und Boden befand?
    Das wimmernde Baby unterbrach Olivias Gedankengänge. Sie drehte den Männern den Rücken zu und legte das Kind an die Brust. Dann wurde ihr bewußt, wie albern es war, sich so züchtig zu verhalten. Alle anderen hier waren doch so gut wie nackt. Also ignorierte sie einfach ihr Schamgefühl und sah zu, wie das Kindchen gierig nuckelte.
    Als die Sonne untergegangen war, löschten die Männer das Feuer, sammelten ihre Werkzeuge und Waffen ein und gingen zurück in den Busch. Die Frauen folgten ihnen. Einzig das kleine Mädchen wandte

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