Tränen des Mondes
Vater in Southwark, bis hierher. Natürlich hegte er noch Zweifel an dem geplanten Unternehmen. Die hatte Tyndall allerdings mit der Aussicht auf die großen Gewinne im Perlengeschäft so gut wie zerstreut. Conrads Partner hatte auch die Risiken nicht verschwiegen. Er gab zu, daß die Arbeit nicht ungefährlich war und daß es keinerlei Garantien gab. Aber Tyndall hatte Zugang zu unberührten Perlengründen, er besaß gute Kontakte, Mut und Verkaufstalent. Das alles sprach für ihn.
Während Ahmed und Tyndall die
Bulan
auf Herz und Nieren untersuchten, hatte Conrad genügend Zeit, die letzten Wochen seit ihrer Ankunft in Cossack noch einmal Revue passieren zu lassen.
Tyndall hatte das noch unter dem Schock der Ereignisse stehende Paar in sein Haus gebracht und dann vorsichtig eine Partnerschaft im Perlengeschäft angeschnitten. Auf Conrads Einwand, er verstünde doch gar nichts von diesem Geschäft, hatte der Kapitän mit der Frage gekontert, was er denn von Landwirtschaft und Viehhaltung wüßte.
Zu beider Überraschung hatte Olivia sich daraufhin eingemischt: »Conrad, du solltest dir das Angebot überlegen. Du besitzt organisatorische Fähigkeiten und kannst mit Zahlen umgehen. Ich bin sicher, Kapitän Tyndall sieht dich nicht unbedingt am Steuer des Loggers. Ich finde wirklich, wir sollten neue Wege gehen.«
Tief in ihrem Herzen hatte sie schon immer gewußt, daß Conrad nicht für das Landleben gemacht war – und schon gar nicht für ein Leben auf so unbeugsamem Grund und Boden wie dem, den sie gerade hinter sich gelassen hatten. Wäre James noch am Leben, hätte sie versucht, das beste aus der Situation zu machen. Sie hätte an der Seite ihres Mannes weiter in der Wildnis gekämpft. Aber bei ihrer erneuten Begegnung mit Kapitän Tyndall war ihr klar geworden, daß Conrad besser in ein Geschäftsunternehmen paßte. Er brauchte etwas, das absehbaren Erfolg und einen akzeptablen Lebensstil versprach. Sie war sich allerdings noch immer nicht schlüssig, was sie von diesem Tyndall halten sollte. Seine verwegene Art störte sie, selbst sein Charme machte sie unsicher. Und doch vertraute sie diesem Mann. Sein Umgang mit den Eingeborenen unterschied ihn auf angenehme Weise von den meisten Europäern in diesen Breiten. Die anderen verabscheuten die Schwarzen und behandelten sie als Menschen zweiter Klasse.
Man hatte es sich auf Tyndalls Veranda bequem gemacht. Sie saßen in Korbsesseln und genossen die kühle Abendluft. Die Männer tranken einen edlen Whisky aus Tyndalls Bar, Olivia nippte an ihrer Limonade.
»Dies ist die beste Stunde des Tages, jedenfalls auf diesem Teil der Erdkugel«, versicherte Tyndall. »Man hat die Gelegenheit, entspannt über die Welt nachzudenken und über die Möglichkeiten, die sie uns bietet. Zum Wohl.« Er hob sein Glas und prostete den Hennessys zu. »Was unsere Partnerschaft angeht, hier mein Angebot: Ich kann eine Geschäftsidee und ein paar Vermögenswerte einbringen. Allerdings besitze ich kaum Kapital. Sie wiederum haben Geld und suchen ein Projekt, das Ihnen bessere Möglichkeiten eröffnet, als Buschland zu roden und Schafe zu füttern. Außerdem brauche ich einen guten Geschäftmann, der die Dinge an Land steuert. Habe ich noch irgend etwas vergessen?«
Conrad schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube das war alles.«
»Gut. Den Gewinn teilen wir fifty-fifty. Wir werden den größten Teil des Kapitals für den Logger verwenden müssen. Am Anfang werden wir noch nicht in der Tiefsee fischen und können den Schoner benutzen. Die Wirbelstürme sind vorerst auch kein Problem. Und noch etwas, wir sollten nach Broome ziehen. Broome gilt derzeit als Zentrum des Perlenhandels.«
Conrad spielte mit seinem Glas.
John Tyndall hatte vor allem ihn angesprochen, denn es war Männersache, geschäftliche Entscheidungen zu treffen. Aber solch radikale Änderungen allein zu beschließen bereitete Conrad Unbehagen. Schließlich kam das Kapital aus Olivias Erbschaft, es war der Erlös aus dem Verkauf des väterlichen Geschäfts. Auch war es ihre Idee gewesen, nach Australien zu gehen. Sie hatte davon gelesen, daß man mit Glück und harter Arbeit hier zu Reichtum kommen konnte. Und sie sehnte sich nach einem neuen Anfang, nach einer Herausforderung. Mit dem frühen Ableben ihres verwitweten Vaters war ihr Kindheitstraum von Abenteuer, von einem anderen Leben als dem der Frauen, die sie kannte, plötzlich in den Bereich des Möglichen gerückt. Nichts hielt sie mehr in England. Und als
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