Tränen des Mondes
sich die Chance bot, war Olivia es gewesen, die Conrad davon überzeugte, den Schritt zu wagen.
Er nippte an seinem Glas. »Für mich hört es sich ein bißchen riskant an. Das mag allerdings daran liegen, daß ich absolut nichts über die Perlenfischerei weiß. Wir müßten alles, was uns geblieben ist, in das Unternehmen stecken.« Conrad klang unsicher und schien keine verbindliche Zusage machen zu wollen.
Tyndall stand auf. »Ich werde einen kleinen Spaziergang durch den Garten machen. Sie müssen sich unter vier Augen beraten. Bitte nehmen Sie keine Rücksicht auf mich.« Er ging die Stufen zu seinem spärlichen Gärtchen hinab. Vor einem Jasminbaum im hinteren Teil machte er Halt und begann, einige Blüten zu pflücken.
Noch bevor Conrad den Mund aufmachen konnte, zischte Olivia ihm zu: »Sag ja, Conrad.« Ihre Entschlossenheit verblüffte ihn. Solch ein Verhalten kannte er gar nicht von seiner jungen Frau. »Aber wir wissen doch kaum etwas über ihn, nur daß er bis jetzt ausgesprochen freundlich zu uns war. Er hat zwar an der ganzen Küste Handel getrieben, aber die Perlenfischerei ist auch für ihn Neuland. Immerhin scheint er einiges Ansehen in dieser Gegend zu genießen.«
»Ehrlich gesagt, glaube ich kaum, daß wir eine andere Wahl haben. Mein Gefühl rät mir zu einer Partnerschaft mit ihm. Und was sein Ansehen angeht: In dieser Stadt ist doch wohl jeder angesehen, der ein paar Schuhe besitzt und einigermaßen nüchtern ist. Aus irgendeinem Grund vertraue ich ihm. Frag mich nicht, warum.«
Angesichts Olivias wohlwollender Einstellung dem Unternehmen gegenüber lösten sich Conrads Bedenken in Luft auf. Diese Entschlossenheit, ja geradezu Verwegenheit, war ein völlig neuer Zeug an ihr. Conrad versuchte, optimistisch zu klingen, als er den Arm um sie legte und sagte: »Also lautet die Antwort ja. Wir tun uns mit ihm zusammen. Ich hoffe nur, daß ich seine Erwartungen in Bezug auf meine kaufmännischen Fähigkeiten erfüllen werde.«
»Natürlich wirst du das, mein Liebling«, versicherte Olivia und ergriff seine Hand. »Es gibt da noch etwas, das du mit Tyndall noch klären solltest. Ich möchte bei dem Geschäft dabeisein.«
»Wie meinst du das?« fragte Conrad entgeistert. »Du bist doch Teilhaberin. Es ist auch dein Geld, meine Liebe.«
»Nein, ich meine Arbeit. Ich möchte auch arbeiten. Ich könnte im Büro helfen oder so etwas.«
Ihre Stimme begann zu zittern, und eine verwundbare junge Frau zeigte sich anstelle der willensstarken Entscheidungsträgerin, die sie noch kurz zuvor gewesen war. »Ich brauche dringend eine Beschäftigung, Conrad. Es würde mir helfen …« Sie sprach nicht weiter. »Es würde mir helfen … zurechtzukommen«, sagte sie dann.
»Ja, Liebes. Ich werde es zur Sprache bringen.« Er drückte ihre Hand und ging in den Garten zu Tyndall. Die Männer zündeten sich beide ihre Pfeifen an und unterhielten sich an den Zaun gelehnt, der den Garten von der staubigen Straße trennte. Bald reichten sie sich die Hand und kamen zur Veranda zurück.
»Wir sind uns einig«, verkündete Tyndall fröhlich und sprang federnd die Stufen hinauf. »Willkommen an Bord. Und hier sind ein paar Blumen für Sie, Mrs. Hennessy, zur Feier des Tages.« Mit großer Geste überreichte er ihr einen kleinen Zweig Jasminblüten. »Passen Sie auf, es tropft Saft aus dem Stiel«, fügte er fürsorglich hinzu. Olivia mußte lachen.
»Verbindlichsten Dank, mein Herr«, antwortete sie mit übertriebener Höflichkeit.
Nachdem Tyndall gegangen war, blieb sie noch eine Weile allein auf der Veranda sitzen, den Jasminzweig im Schoß. Conrad kleidete sich inzwischen zum Abendessen um. Als er zurückkam, sah er, daß sie still weinte.
»Mein Liebes, bereust du etwa die Entscheidung?«
»Nein, ich weine um James. Ach, Conrad«, schluchzte sie. »Unser goldiges Kind. Es ist so schrecklich. Werden wir das jemals verwinden?«
»Olivia, Liebste. Ich weiß, was du fühlst. Wir fangen jetzt ein neues Leben an.«
Er nahm sie in die Arme und hielt sie lange fest.
Auf See fühlte Conrad sich nicht wohl. Er kam sich tolpatschig vor und hoffte, daß er von nun an mehr an Land zu tun haben würde. Tyndall hatte ihm zugesichert, daß er sich um die Geschäfte in Broome kümmern würde. Aber zuerst brauchten sie eine Mannschaft und einen glücklichen Fang.
»Während wir auf See sind, könnten Sie Erkundigungen einholen«, hatte Tyndall vorgeschlagen. »Wir müssen wissen, wer bei Preisen und Verladung
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