Tränen des Mondes
vielmals um Entschuldigung.«
Sie zahlten seinen Lohn und nahmen seine Einladung zum
tiffin
am Sonntag an. Metta genoß unter den Perlenunternehmern von Broome einen solch untadeligen Ruf, daß alle Rassenvorbehalte vergessen wurden, wenn es darum ging, eine Einladung zum Mittagessen bei Toby und Mabel anzunehmen. Zum einen war das Essen gut, zum anderen passierte in Broome sehr wenig in Sachen Perlen, was Toby nicht zu Ohren kam, und gelegentlich ließ er diskret einige nützliche Informationen in die Unterhaltung einfließen.
Nachdem sie die Perlen in einem kleinen Ziegenlederbeutel sicher in Olivias Handtasche verstaut hatten, fuhren die Hennessys zum Hotel Continental weiter, um sich mit Monsieur Jules Barat, dem Perlenkäufer, zu treffen.
Nach den anfänglichen Begrüßungsfloskeln schloß Monsieur Barat sorgfältig die Tür hinter ihnen.
Der Perlenkäufer war von kleiner Statur und trotz seines vornehmen Gebarens noch recht jung. Er hatte eine große Hakennase und einen Spitzbart und trug eine goldumrandete Brille, die seine braunen Kulleraugen noch größer erscheinen ließ. Seine untadelige Kleidung stammte zweifellos aus dem Pariser Faubourg St. Germain, und seine unverwechselbare französische Art ließ ihn in Broome gänzlich fehl am Platz erscheinen.
Sie setzten sich an einen kleinen Korbtisch, und er öffnete einen flachen Holzkasten, dessen Deckel mit grünem Samt ausgekleidet war. Neben dem Kasten stellte er eine kleine Goldwaage auf, dazu legte er eine Juwelierslupe und einen kleinen Notizblock.
Er verbeugte sich leicht vor Olivia. »Würden Madame bitte entschuldigen, wenn ich meine Jacke ausziehe?« Er sprach mit einem weichen, verführerischen französischen Akzent.
»Aber bitte.« Sie machte eine zustimmende Handbewegung, und er ließ sein Jackett über die Stuhllehne gleiten. Conrad, weniger elegant gewandet, behielt die Jacke seines luftigen Leinenanzugs an.
Olivia holte die Perlen aus dem kleinen Beutel und legte sie auf den grünen Samt. Es war eine bescheidene Kollektion, und Olivia schien nach einer Rechtfertigung zu suchen. »Wie Sie wissen, war dies unsere erste Saison. Wir erwarten, unseren Ertrag mit jeder Saison zu steigern.«
»Natürlich. Im Juweliergewerbe streben wir nach Qualität, nicht nach Quantität«, erwiderte er mit einem leichten Neigen des Kopfes.
Monsieur exerzierte nun ein ganz persönliches Ritual. Er rückte die elastischen Ärmelhalter zurecht, bog und streckte die Finger, wischte seine Brille ab, legte sie zur Seite und klemmte sich die Lupe ins Auge. Erst dann hob er jede Perle einzeln hoch, um sie eingehend zu inspizieren. Nach sorgfältiger Untersuchung wog er sie und notierte sich eine Zahl auf seinem Block. Dann hielt er die Perlen etwas weiter von sich, betrachtete jede einzelne noch einmal nachdenklich, rechnete seine Zahlen durch und schrieb schließlich eine Summe auf den Block. Er riß das Blatt ab, drehte es um und schob es Conrad zu. Nachdem Conrad einen Blick darauf geworfen hatte, reichte er es wortlos Olivia. Er machte ein zufriedenes Gesicht. Es schien ein faires Angebot zu sein und deckte sich mit der Schätzung von Toby. Olivia machte ein abwägendes Gesicht.
»Monsieur Barat, das ist doch gewiß nicht Ihr letztes Angebot?« fragte sie ihn herausfordernd.
Conrad und der Perlenverkäufer sahen sie erstaunt an.
»Mrs. Hennessy, ich bin professioneller Käufer, kein Pferdehändler.«
»Natürlich. Ich verstehe … aber …«
»Olivia …«, begann Conrad, entsetzt darüber, daß sie das Angebot in Zweifel zog.
Der Perlenkäufer verzog keine Miene und sah Olivia unverwandt an. »Ich habe beträchtliche Ausgaben. Wenn Sie lieber selbst zur Rue Lafayette oder nach Hatton Garden reisen möchten …« Er zuckte die Achseln. »Außerdem sind Sie zum ersten Mal Kunde bei mir, wir haben keine festen Geschäftsbeziehungen, so daß ich Ihnen einen
prix special
anbieten könnte …«
»Mir scheint, dafür wäre nun die beste Gelegenheit«, sagte Olivia liebenswürdig. »Ein Sonderpreis zu diesem Zeitpunkt würde garantieren, daß wir auch in Zukunft mit Ihnen Geschäfte machen werden, denn das würde uns die Sicherheit geben, daß Sie ein fairer und vernünftiger Händler sind. Es würde uns die Umstände ersparen, mit anderen Käufern zu verhandeln.«
Conrad beschloß, sich nicht einzumischen. Olivia hatte offensichtlich einen Punkt gemacht. Er war stolz auf die erstaunliche Kühnheit seiner Frau.
Der Perlenkäufer setzte umständlich
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