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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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fest schlafend auf einer Rattanliege, einen Fuß auf dem Boden. Er trug noch die Kleidung vom Vorabend, das Kinn zierte ein Stoppelbart. Er atmete schwer mit leicht geöffneten Lippen. Auf dem Boden stand eine leere Whiskyflasche.
    »Tyndall!« rief Olivia und ließ die Tür laut hinter sich ins Schloß fallen.
    Es dauerte einige Sekunden, bis er die Augen geöffnet hatte und die Gestalt erkannte, die sich über ihn beugte.
    »Sind Sie die ganze Nacht hiergewesen?« fragte Olivia.
    »Nö.« Er setzte sich auf, rieb sich die Augen und fuhr sich über Kinn und Wangen. Er starrte sie eine Weile an und fragte dann: »Wie spät ist es?«
    »Zeit zum Auslaufen. Ahmed sucht Sie. Die Mannschaft ist an Bord. Sie machen sich besser auf den Weg.«
    »Wir schaffen das schon. Volle Kraft voraus.« Er kam langsam auf die Füße, setzte seine Kapitänsmütze auf und salutierte frech.
    »John Tyndall, Sie sind unverbesserlich.«
    »Was würde ich nur ohne einen Partner machen, der mich auf dem Pfad der Tugend hält?« grübelte Tyndall, während er an ihr vorbei auf die Treppe zustolperte.
    Noch immer verärgert, kehrte Olivia zum Haus zurück, wo der aufgelöste Yusef sie empfing.
    »Mem! Niah fort! Nicht hier. Weglaufen.«
    »Was?« Olivia rannte zu den Dienstbotenräumen. Niahs Zimmer war leer, ihre wenigen Sachen waren fort.
     
    Erst am Nachmittag, als die
Shamrock
, die der
Bulan
und den anderen Loggern folgte, bereits auf hoher See war, erschien der japanische Taucher aufgeregt an Deck.
    »Blinder Passagier«, sagte er und deutete auf die Hauptkabine.
    Tyndall trat durch die Luke und fand zu seiner Überraschung Niah auf seiner Koje hocken. Sie blickte zu ihm auf und lächelte ihn unbekümmert an.

[home]
    Zehntes Kapitel
    E in Logger, der mit einem kranken Taucher zurückkehrte, überbrachte Olivia und Conrad die Nachricht, daß Niah sich an Bord der
Bulan
aufhielt. Niah, die spürte, daß Tyndall über ihre Anwesenheit alles andere als erbaut war, hielt sich anfangs im Hintergrund. In dem kleinen Verschlag vor der Hauptkabine, wo sich die Wassertanks und der Segelspind befanden, in dem Niah sich versteckt gehalten hatte, bis der Schoner auf hoher See war, wurde hinter einem Vorhang aus Segeltuch eine notdürftige Koje für sie gebaut.
    Die Tage auf See und die Arbeit in den Perlengründen verliefen in der normalen Routine. Unterdessen machte sich Niah an Bord immer nützlicher, und es entstand ein höfliches, aber zurückhaltendes Arbeitsverhältnis zwischen ihr und den Besatzungen der
Shamrock
und der
Bulan
. Der Koch der
Shamrock
behandelte sie wie eine Bedienstete und schickte sie während der Mahlzeiten in die Kombüse, um Nachschub an Reis oder Becher voll süßen, schwarzen Zichorienkaffees zu holen. Sie sprach vornehmlich mit Ahmed, ihr gemeinsames Heimatland verband sie und stiftete Vertrauen zwischen ihnen. Mit dem Dinghi machten sie mehrere Fahrten zwischen den beiden Schiffen, und diese Gelegenheiten benutzte Niah dazu, ihn über den ungewöhnlichen Weißen auszufragen, der sie vor einem Schicksal als Sklavin gerettet hatte, und dem nun unbedingt daran gelegen schien, ihr aus dem Weg zu gehen.
    Ahmed blieb reserviert. Aus Loyalität Tyndall gegenüber vermied er es, Fragen zu beantworten, die ihm zu persönlich erschienen. Er fand es angenehm, Niah an Bord zu haben, denn sie gab keinen Anlaß zu Ärger, besaß Humor und war wunderschön, eine Tatsache, die ihn erschreckend beunruhigte und ihn über die Haltung seines Herrn dem Mädchen gegenüber zum Nachdenken brachte. Die gewollte Distanz zu ihr würde er nur mit Mühe noch länger aufrechterhalten können, und dann … ach, alles liegt in den Händen des Allmächtigen, sinnierte Ahmed.
    An manchen Abenden, besonders sonntags, wenn das Wetter schön war, ankerten viele Logger und Schoner, die in den Perlengründen arbeiteten, nicht weit voneinander, und die Mannschaften und Kapitäne statteten sich gegenseitig Besuche ab, aßen gemeinsam zu Abend, tranken, spielten Karten und würfelten. Tyndall war daran gelegen, mit so vielen Kapitänen wie möglich Freundschaft zu schließen, besonders mit denen, die unabhängig arbeiteten oder zu kleineren Flotten gehörten. Er dachte an die nächste Saison und sah die gewinnbringende Möglichkeit, sein Schiff auch als Mutterschiff für andere Logger einzusetzen und das Packen und Befördern der Muscheln für sie zu übernehmen, aber auch Nahrungsmittel, Petroleum und Rum an sie zu verkaufen.
    Was Niah anbelangte, so hatte

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