Tränen des Mondes
an Bord war, hatte in den Perlengründen der Taucher das Kommando, und wenn der Taucher unter Wasser war, steuerte sein Helfer das Boot nach den Anweisungen, die der Taucher ihm von unter Wasser gab. Yoshi konnte noch so viele Einwände gegen Tyndalls ersten Tauchgang haben, Tyndall war Schiffseigner und Perlenunternehmer in einer Person, und man achtete ihn für sein seefahrerisches Können. Bevor sie sich verpflichteten, hatten Yoshi und sein Helfer, Takahashi Ono, Erkundigungen eingezogen. Manche malaiische Crews wurden für faul gehalten, aber Ahmed hatte eine soliden Ruf, und seine unbeugsame Loyalität Tyndall gegenüber hielten die beiden Japaner für einen Vorzug. Außerdem ging das Wort um, daß der Kapitän sein Schiff und seine Mannschaft fest im Griff hatte.
Yoshi setzte sich in den Schatten und wartete. Tyndall würde dies nur einmal versuchen, dessen war er sich sicher.
Er war nachdenklicher Stimmung, als sein Helfer und Ahmed die Ausrüstung für Tyndalls Tauchgang an Deck ausbreiteten. Yoshi war ein ruhiger Mensch. Seine Ruhe rührte von der Gewißheit her, seinen Weg im Leben zu kennen. Der alte Samurai, der nach dem Sturz der Shogune eine kleine Schule in seinem Dorf eingerichtet hatte, hatte Yoshi gelehrt, daß Erfolg sich harter Arbeit und Gelehrsamkeit verdankt, aber auch Zuverlässigkeit, Vertrauen und Güte den Mitmenschen gegenüber. Als Schuljunge hatte er von der Welt jenseits seines Dorfes geträumt. Japan war in einer großen Veränderung begriffen, es wandte sich vom Feudalismus ab, um sich Lebensstil und Denkart der westlichen Welt zu eigen zu machen, und Kaufleute ersetzten die Krieger als Männer von hohem Ansehen.
Welten trennten Yoshis Dorf in Taiji an der Küste der Präfektur Wakayama auf Honshu von der Perlenstadt Broome an der Küste von Kimberley. Fünf Jahre waren vergangen, seit Yoshi das letzte Mal durch die dunklen Wälder aus Ulmen und Eschen, Kiefern und Tannen gewandert war, deren dichte grüne Wand sich fast bis zum Rand der steilen, zerklüfteten Klippen über der meergepeitschten, felsigen Küste hinzog. Da man auf dem Land nichts anbauen konnte, mußten die Dorfbewohner sich ihren unsicheren Lebensunterhalt als Fischer und Walfänger verdienen. Yoshi erinnerte sich noch an den schrecklichen Tag, da er als Junge die kräftigeren Männer des Dorfes beobachtete, wie sie aufs Meer hinausruderten, um ein Walkalb zu fangen, und wie sie dann ihre Boote von der aufgebrachten Walmutter zertrümmert sahen, die angriff, nachdem sie die Schreie ihres Kalbs gehört hatte, die Boote zerschmetterte und alle Männer tötete.
Viele junge Männer verließen das Dorf, um andernorts Arbeit zu finden, und einige verschlug es auf ihren kleinen Booten nach Nordaustralien, wo sie auf See arbeiteten und nach Schalentieren und Perlmuscheln tauchten. Ihre natürlichen Fähigkeiten als Taucher, ihr angeborenes Verständnis für das Meer, ihre Willensstärke und ihre körperliche Kraft trugen ihnen einen guten Ruf ein und schufen die Basis für eine langwährende Verbindung zwischen der japanischen Insel und einem entlegenen Teil des großen Kontinents Australien. Alsbald warben Perlenfischer im gesamten Norden um ihre Dienste.
In seinen Jugendjahren hörte Yoshi die Geschichten der heimkehrenden Taucher und sehnte sich danach, sich ihnen anzuschließen und an dem großen Abenteuer teilzuhaben. Als dann eines Sommers Vertreter der Perlenfischer von Thursday Island kamen, um Taucher anzuheuern, verpflichtete Yoshi sich und wurde in die Lehre genommen. Er erlernte sein Gewerbe in der Perlenflotte der Torres-Staße und schloß sich dann einem Perlenfischer an, der nach Westen zu den neueren und ergiebigeren Perlengründen Westaustraliens zog. Er vermißte die von Palmen gesäumten Koralleninseln der Torres-Straße, fand sich aber gleichmütig mit Broomes rauher, karger Landschaft ab. Der Lohn für seine Arbeit war es wert. Es blieb ihm genug Geld, um etwas an seine Geschwister in der Heimat zu schicken und ein Anwesen im Dorf zu erstehen. Jedesmal, wenn er an Land war, besuchte er den kleinen, von der eingeschworenen japanischen Gemeinschaft erbauten Tempel in Broome, zündete Weihrauch an und betete für seine Mutter, die während seines ersten Jahres im Ausland gestorben war. Ein Besuch in seinem Heimatdorf stand Yoshi noch bevor, doch unter japanischen Tauchern war es üblich, lange von zu Hause fortzubleiben. Wenn er tatsächlich zurückkehrte, würde er genügend Geld verdient haben, um
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