Tränen im Regen
Brüder, Ramon und Miguel, dazu drei Schwestern, Milena, Carolina und Savannah, gefolgt von insgesamt dreizehn Nichten und Neffen, und natürlich Ehemännern und -frauen. Dale gehörte zu einer Großfamilie, so wie er, und obwohl Kilian nicht damit gerechnet hatte, fühlte er sich bereits nach nur wenigen Minuten pudelwohl. Und als dann auch noch Familienhund Sokrates, ein Bernhardiner, das für die ganze Familie eindeutig zu kleine Wohnzimmer stürmte, war das Chaos perfekt.
Kilian hielt sich an Miguel und Maria, die zu beiden Seiten neben ihm saßen, und vor allem Dales Mutter hatte es ihm schnell angetan. Sie war klein und stämmig gebaut, hatte dafür aber soviel Energie und lachte in einem fort, dass er gar nicht anders konnte, als sie zu mögen. Auch wenn Kilian nach dem dritten Versuch von ihrer Seite her, ihm noch einen Stück von dem vorzüglichen Kuchen aufzuschwatzen, die Segel streichen musste. Wenn er auch nur noch einen Krümel aß, würde der Knopf an seiner Jeans in hohem Bogen durchs Zimmer fliegen. Maria bekam sich vor Lachen gar nicht mehr ein, als er ihr das genau so sagte, und Kilian zuckte grinsend die Schultern, als Dales Vater sichtlich amüsiert den Kopf schüttelte.
„Mum? Dad? Ich bin zu spät, entschuldigt. Ich...“ Dale verstummte abrupt, als er ins Zimmer kam, und sah ihn überrascht an. Im nächsten Moment überwog jedoch die Wut. „Was willst du hier?“
„Dallas!“ Maria sah Dale tadelnd an. „Nicht in diesem Ton. Kilian ist Gast in unserem Haus.“
„Er ist kein Gast. Er ist ein Mistkerl.“
Kilian verzog beschämt das Gesicht, sagte aber nichts, denn den Vorwurf hatte er verdient.
„Dallas Turner Rodrigez“, fuhr Carlos auf und erhob sich. „Kilian ist ein Gast in unserem Haus, wie deine Mutter sagte. Benimm dich entsprechend oder geh.“
„Schön, dann gehe ich.“ Dale machte auf dem Fuße kehrt und Kilian sprang auf.
„Dale...“
Miguel hielt ihn am Arm zurück, als er Dale folgen wollte. „Warte ab, er kommt gleich wieder.“
„Aber...“
Ramon lachte leise und zwinkerte ihm zu, als Kilian ihn fragend ansah. „Das erleben wir nicht zum ersten Mal. Er läuft jetzt eine Runde um den Block, um sich abzukühlen, und wird sich dann solange benehmen, bis ihr unter euch seid. Ab der Sekunde bist du auf dich allein gestellt.“
„Das kriege ich hin“, erklärte Kilian ruhig und betete zugleich, dass er später auch noch zuversichtlich sein würde.
„Du bist in Ordnung für einen Weißen“, erklärte Carlos sichtlich zufrieden und setzte sich wieder, worauf Maria, die ebenfalls weiß war, belustigt die Augen verdrehte. Dales etwas hellere Hautfarbe, gegenüber seinem Vater, kam von ihr. „Möchte noch jemand Kuchen?“
Kilian war im ersten Moment verdutzt, weil die Gespräche genau da wieder aufgenommen wurden, wo sie zuvor unterbrochen worden waren, aber dann zuckte er innerlich die Schultern. Dales Familie wusste schon, was sie tat, und sie hatten Recht, was Dale anging. Niemand sagte etwas dazu, als Dale kurz darauf wieder auftauchte und sich zwischen seinen Schwestern niederließ, um etwas zu essen. Es sagte auch niemand etwas, als Dale ihn eine halbe Stunde später, als er gerade Maria beim Abräumen half, an der Hand nahm und aus dem Haus zog. Miguel rief ihnen nur ein amüsiertes, „Viel Glück“ hinterher, was Dale schnauben und Kilian grinsen ließ.
Zumindest solange, bis sie eine Straße weiter einen kleinen Park erreicht hatten und Dale anhielt, um sich zu ihm umzudrehen. „Also schön. Was willst du hier? Und wie hast du meine Eltern gefunden?“
„Adrian“, antwortete Kilian, was bei Dale wie erwartet für einen finsteren Blick sorgte. „Dich konnte er nicht finden.“
„Es hat seinen Grund, warum ich nicht zu finden bin.“
„Undercovercop, ich weiß.“
Dale wandte sich ab. „Flieg wieder nach Hause, Kilian.“
Oh nein, so leicht würde er sich jetzt nicht abschütteln lassen. Er war nicht hergekommen, um sich von einem finsteren Blick vertreiben zu lassen. Und schon gar nicht, bevor er sagen konnte, was er sagen wollte. Ob Dale ihm danach verzieh oder nicht, eine Entschuldigung war das Mindeste, was er verdiente. Hoffentlich reichte sie aus, um Dale dazu zu bringen, ihm zuzuhören.
„Es tut mir leid, Dale“, rief er Dale nach, worauf der abrupt und sichtlich wütend zu ihm herumfuhr.
„Ich hätte dich nie einfach so abgelegt, Kilian. Niemals. Ich bin nicht so ein Typ, der sich seine Männer nur zum Ficken sucht. Wie
Weitere Kostenlose Bücher