Tränen im Regen
einen Augenblick gequält die Augen, als er verstand, was Alex gerade gesagt hatte. „Du hast einen Gehirntumor, oder?“
Alex nickte. „Ein Glioblastom. Ich war bei mehreren Spezialisten. Es gibt keine Chance auf Heilung, geschweige denn eine Behandlung, die noch Sinn macht. Deswegen bin ich nach Hause gekommen...“ Alex stockte kurz. „Um euch alle noch mal zu sehen.“
Mikael schien etwas zu Alex sagen zu wollen, tat es jedoch nicht, sondern sah stattdessen zu Adrian. „Du mieser Scheißkerl.“
„Mik, nicht...“, fing Alex bittend an, aber Niko trat zu seinem Bruder, nahm Alex' Hand und schüttelte den Kopf.
Es hätte ohnehin nichts mehr daran geändert. Was jetzt kam, hatte kommen müssen, das war nicht nur Niko bewusst, denn auch Kilian sparte sich jeden Kommentar. Adrian hatte es gewusst und kein Wort gesagt. All die Monate hatte sein Onkel geschwiegen. Kilian wusste nicht, wie er das finden sollte. Im Augenblick wusste er irgendwie gar nichts mehr. Das war alles zuviel. Er resignierte einfach.
„Du wusstest es. Von Anfang an hast du gewusst, was los ist, und hast kein Wort gesagt.“ Mikael machte einen Schritt auf Adrian zu, was nicht nur Colin alarmierte, denn Mikaels Blick war mörderisch. „Du verdammtes Arschloch! Wieso hast du nichts gesagt?“, schrie Mikael im nächsten Moment los und konnte nur mit Mühe und Not von Colin und Samuel gebändigt werden. „Du wusstest Bescheid und hast nichts gesagt!“
„Was hätte ich denn sagen sollen?“, brüllte Adrian so unbeherrscht zurück, dass Kilian zusammenzuckte, und er war nicht der Einzige, der mit diesem Ausbruch nicht gerechnet hatte, denn jeder sah Adrian überrascht an. „Die Wahrheit? Hätte ich wirklich herkommen und dir sagen sollen, dass dein Bruder sterben wird? Und zwar während Alex in Europa ist und du keine Möglichkeit hast, an ihn heranzukommen? Hättest du das wissen wollen?“
„Ich hätte zu ihm fliegen können!“ Mikael riss sich von Colin los, der sofort wieder zupackte. „Ich hätte bei ihm sein können!“
„Was hätte das geändert?“, hielt Adrian dagegen. „Denkst du, Alex ist aus einer Laune heraus abgehauen? Denkst du ernsthaft, er hätte auf dich gewartet? Alex wäre vor dir genauso davongelaufen, wie Kilian vor Colin, weil er einfach noch nicht soweit war. Ja, es war nicht die feine englische Art, das weiß ich, aber ich hätte nichts anderes tun können. Wofür hältst du mich eigentlich? Ich habe eine Tochter und eine Enkelin. Glaubst du, mir hat das Spaß gemacht zu wissen, dass Alex sterben wird, und es monatelang geheimhalten zu müssen? Ach, leck' mich doch.“
Adrian war so schnell im Haus verschwunden, das Kilian gerade mal ein Blinzeln schaffte. Alex folgte ihm sofort und kurz darauf fiel die Haustür mit einem lauten Knall ins Schloss.
„Scheiße“, stöhnte Mikael, nachdem sich das erste Entsetzen etwas gelegt hatte, und sah zu David. „Es tut mir...“
„Ich weiß. Geh' ihnen nach und ruf' an, falls du Hilfe brauchst“, unterbrach David ihn mit einem beruhigenden Lächeln und mehr Aufforderung brauchte Mikael nicht.
„Oh man“, murmelte Niko seufzend, als Mikael den Garten verlassen hatte, und fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß ja nicht, was ihr jetzt vorhabt, aber ich brauche ein Bier. Sonst noch wer?“
Kilian hob automatisch die Hand, genauso wie die Zwillinge, Nick und Amber, was ihr mehrere verblüffte Blicke einbrachte.
„Was?“, fragte Amber mit einem gequälten Lächeln. „Ein richtiger Schnaps wäre mir auf den Schock eigentlich lieber, aber ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.“
„Wir hätten Whiskey“, warf Colin ein, worauf Kilian ihn ungläubig ansah. Sein Vater zuckte leise seufzend die Schultern. „Ich will jetzt jedenfalls einen.“
„Damit ich das richtig verstehe“, nuschelte Niko einige Stunden später in sein leeres Glas. „Wir saufen hier, damit wir den Schock irgendwie verdauen können und nicht heulen müssen?“
„Ja“, antworteten Nick, Colin und Noah synchron, während sich der Rest auf Nicken beschränkte.
Kilian grinste und sah fragend zu Samuel, als der wieder zu ihnen in den Garten kam. „Schläft Nathan?“
Samuel nickte und ließ sich neben Devin auf einen freien Liegestuhl fallen, der ihm wortlos ein Bier reichte. „Danke dir. Er hatte natürlich tausend Fragen. Ich werde nachher auf Google Informationen suchen, um es ihm besser erklären zu können.“ Samuel seufzte. „Und das möglichst ohne dabei zu
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